So ein
Tag, so wunderschön... |
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Alljährlich am zweiten Novemberwochenende, immer 14 Tage nach dem Marathon im benachbarten Frankfurt, findet in Hessen, an der und über die Grenze zu Rheinland-Pfalz der ARQUE-Lauf statt, der für viele regelmäßig wiederkehrende LäuferInnen schon Kultstatus erreicht hat. ARQUE, das ist die Arbeitsgemeinschaft für querschnittsgelähmte Kinder und Jugendliche, der sich um Kinder (und aufgrund des Zahns der Zeit auch Jugendliche und junge Erwachsene) kümmert, die mit Querschnittslähmung (spina bifida) auf die Welt kamen. Die zweitägige Veranstaltung ist ein Benefizlauf, die Startgelder wandern komplett in den Topf des Vereins. „Startgebühr“ ist in diesem Fall auch ein relatives Wort: es gibt eine Mindeststartspende von 17,25 €, die sich eine Woche vor dem Lauf verdoppelt, nach oben sind der Spendenwilligkeit der TeilnehmerInnen keine Grenzen gesetzt. Die Höhe der Mindestsumme kommt nicht von ungefähr, sie ist angelehnt an die Länge der Strecke, nämlich 17.248 €meter oder auch umgerechnet 33.735 „normale“ Meter. Der ARQUE-Lauf ist kein Wettkampf, sondern ein Miteinanderlaufen, für viele das geeignete Event zum Saisonausklang. Gelaufen wird in fünf von Pacemakern der TuS Hornau (Kelkheim), des MTV Kronberg und passtschon98 angeführten Gruppen. Die schnellste Truppe ist im 4:30er Schnitt unterwegs, Gruppe E ist auf 6:30 min pro Kilometer ausgelegt. Die teilnehmerstärkste Gruppe ist in der Regel Gruppe D mit einem 6er Schnitt, naturgemäß laufen die Wenigsten in der ersten Gruppe. Dieses Jahr mit an Bord: „Laufrentner“ Dieter Baumann, der den Hinweis, daß bei Gruppe A kein „Lumpensammler“ mitfährt, weil in dieser Gruppe niemand aussteigt, grinsend zur Kenntnis nahm. Michael Lederer, der Organisationschef des ARQUE-Laufs hatte ihm vor einiger Zeit einen Hinweis auf den Lauf geschickt mit der Bemerkung, Baumann wäre zwar 3x in einem Jahr Deutscher Meister geworden, aber er, Lederer, 4x – vielleicht habe er ja Lust, an „seinem“ Lauf teilzunehmen. Zwei Tage später kam per Telefon die Bestätigung und so stellte sich Baumann nicht nur am Sonntagmorgen an die Startlinie in Kelkheim, sondern auch noch anläßlich einer Podiumsdiskussion beim sogenannten RunUp am Samstagnachmittag den Fragen des Journalisten Robert Hartmann, der seinerzeit den Begriff des „weißen Japaners“ kreierte. Erstmals 2004 gab es sogar zwei RunUp-Veranstaltungen: eine aktive und eine passive. Weil Sponsor und Ex-Lederer-Kommilitone Martin Konzack aus Marl sich seit Monaten auf diesen Lauf vorbereitet und gefreut hatte, am Sonntag aber seinen Gospelchor in Ratingen dirigieren mußte, hatte er sich entschlossen, die Strecke am Samstagvormittag schon mal abzulaufen, notfalls alleine. So kam es dann auch, denn trotz eines entsprechenden Hinweises auf der Homepage war kein Freiwilliger vorgetreten, ihn zu begleiten und damit ein Doppelpack zu laufen. Der „passive“ RunUp ist auch schon fest im Kalender von Läufern und Freunden der ARQUE verankert. Ab 16 h öffnet die Schönwiesenhalle in Ruppertshain (Stadtteil von Kelkheim) ihre Pforten und dann warten Kaffee, Kuchen, Getränke, Jazzmusik, Tombola und Schlemmerpfanne „Gärtnerin“ auf alle, die Spaß am Feiern haben – und dieses Jahr eben auch noch eine Podiumsdiskussion, an der neben Baumann auch noch Michael Lederer, Hartmut Falkenberg, ein Zauberer, der (auch) mit geistig Behinderten arbeitet, Raimund Fenten, einer seiner Schützlinge, und Manfred Letzerich, ein in den 60er Jahren sehr erfolgreicher Bahnläufer (z.B. Deutscher Meister 1966 über 10.000 m) teilnahmen. Die Tombola ist allseits beliebt, denn die Preise sind üppig. Neben Un-Mengen an Kleingewinnen (z.B. Bücher, Schirme, Gläser, volle Bierkästen, Baseballkappen u.v.m.) gibt es auch noch einige sehr schöne Läufer-Preise, nämlich Freistarts bei diversen Marathons all over the Europe, teils noch mit Übernachtungsgutschein im entsprechenden Hotel eines von vielen Sponsoren. Der Hauptgewinn ist eine Woche Malta mit Start beim dazugehörigen Marathon im Februar – und den gewann dieses Jahr unter allgemeinem Gelächter ein 5-jähriger namens Anton, der außerdem sogar noch im Mai in Würzburg starten „muß“. Um 21 h ist Zapfenstreich in Ruppertshain, denn sowohl Organisatoren als auch Läufer müssen am nächsten Morgen sehr früh dem Ruf ihres Weckers folgen. Während Michael Lederer und Olaf Bäuml, der Webmaster u.v.m. des ARQUE-Laufs bereits um kurz nach 3 h ihr Bett verlassen, kann sich der gemeine Läufer dann schon noch ein oder zwei Mal umdrehen. Da der erste Startschuß für die schnellen Jungs von Gruppe A aber schon für 8 h angesetzt ist, ist für die Läufer in der Regel auch zwischen 5 und 6 h die Nacht vorbei. Die Mondfinsternis, die den ARQUE-Lauf 2003 einläutete, dürften die wenigsten gesehen haben. Seit einigen Jahren wurde man der Flut der Läufer am einstigen einzigen Startort „Am Reis“, einem Sportplatz außerhalb der Häusergrenze von Kelkheim nicht mehr Herr und so wird seit zwei Jahren an zwei Orten gleichzeitig gestartet, der Startschuß wird per Handy vom Reis noch an den Sportplatz „Am Stückes“ in Kelkheim-Mitte übertragen. Nach 1,8 km treffen sich die jeweiligen Gruppen und von hier aus geht’s gemeinsam weiter nach Mainz. Die
ersten Läufer trudeln so gegen 7 h ein – noch ist es dunkel, aber schon
bald verspricht ein roter Streifen im Osten über Frankfurt einen sonnigen
Tag. Und nicht nur sonnig sollte er werden, sondern zudem auch noch
richtig warm und damit so gar nicht novemberlike. Das gute Wetter des
„Jahrhundertsommers“ setzt sich bis in den Herbst fort und schon bald
hörte man unterwegs immer wieder „ich bin viel zu warm angezogen“. So pünktlich wie 2003 wurden die Laufwilligen in Kelkheim noch nie auf die Strecke geschickt: um 5 nach 8 machte sich die Gruppe A auf den Weg, die anderen vier Gruppen folgten im Abstand von jeweils zwei Minuten. Insgesamt 1.758 LäuferInnenbeine machten sich dieses Jahr auf den Weg, das ist das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des ARQUE-Laufs, nur 2001, an einem 11.11., waren es mehr. Ein Wunschziel des Orga-Teams ist eine vierstellige Teilnehmerzahl, vielleicht klappt’s mit der ja ZweitausendVIER. Dazu kam noch ein Vierbeiner in Gruppe E und dort schob auch eine Läuferin den Nachwuchs im Babyjogger über die Strecke. Los geht’s also in Kelkheim und das Stadtgebiet verlassen die Gruppen kurz hinter Kilometer 4, um den Wald zwischen dem sogenannten „Bermuda-Dreieck“ dreier Gasthäuser, die von viele Wanderern und Spaziergängern heimgesucht werden, Richtung Hofheim zu durchqueren. Der höchste Punkt der Strecke liegt mitten im Wald und hier heizte dieses Jahr erstmals ein Blasquartett den Läufern ein. Kurz hinter km 8 kommt man dann auf Hofheimer Asphalt und läuft durch die Innenstadt Richtung Stadtteil Marxheim. Dort ist bei km 12,6 an einer Tankstelle die erste der drei Verpflegungsstellen aufgebaut. Tankstellenpächter Harald Horvath überläßt seinen Betrieb am ARQUE-Sonntag immer seinen Mitarbeitern, denn da wird er als Pacemaker in Gruppe D gebraucht. Anders als bei Wettkämpfen, wo sich jeder im Vorbeilaufen einen Becher und gegebenenfalls noch ein Stück Banane schnappt, wird beim ARQUE-Lauf richtig pausiert, die Flüssigkeitsspeicher werden in Ruhe aufgefüllt (im Angebot: Tee, Cola, Wasser, Limo) und dann geht’s geschlossen weiter. Der nächste Streckenabschnitt verläuft dann über die Landstraße nach Flörsheim-Weilbach und am Ortsende geht’s dann rechts ab nach Bad Weilbach und am dortigen alten Kurhaus und dem Faulbrunnen (Vorsicht, nicht zu tief einatmen!) vorbei schnurstracks in den Regionalpark Rhein-Main. Dieses schöne Stück Hessen verwöhnt, zumal bei solchem Kaiserwetter, sämtliche Sinne der Läufer und durch Weinberge und entlang des Mains passiert man u.a. einen alten Kalkofen, den Victoriaturm und die Flörsheimer Warte (eine genauere Wegbeschreibung mit vielen Details finden Sie in unserer Ausgabe 10/2003 ab Seite 48). Einer der Pacemaker in Gruppe E, M65er Hubert Leitermann vom MTV Kronberg, entpuppte sich einmal mehr als ortskundiger Hesse und ließ sein Umfeld an seinem Wissen über die Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke teilhaben – wurde der Lauf für einige LäuferInnen auch noch um den Faktor „Allgemeinbildung“ erweitert. Bei km 20 wird zum zweiten Mal pausiert, die dritte Verpflegungsstelle ist auch noch im Regionalpark bei km 26 zu finden. Dann erreicht man Mainz-Kostheim, den hessischen Teil der rheinland-pfälzischen Hauptstadt. Durch Außengebiete von Kostheim geht’s weiter auf dem langen Weg nach Mainz. Die Kuppeln der Kirchen sind schon zum Greifen nah, aber noch immer sind’s vier Kilometer bis zum Ziel. Jede Gruppe wird von einem Polizeimotorrad angeführt, das heißt: nach vorne und an Kreuzungen abgesichert. Kurz vor der Theodor-Heuss-Brücke, auf deren höchstem Punkt die Stadtgrenze von Mainz und damit die Landesgrenze von Hessen erreicht ist, gesellt sich jeweils noch ein rheinland-pfälzischer Polizist zum hessischen Kollegen und gemeinsam begleiten sie die Truppen auf den letzten knapp zwei Kilometern zum Mainzer Domplatz, wo das Ziel aufgebaut ist. Beim Übergang von Hessen ins Nachbarbundesland haben die Mainzer Passanten noch zu erdulden, daß Hunderte von begeisterten, aber teilweise auch schon recht müden LäuferInnen frei nach den Rodgau Monotones „erbarme – zu spät, die Hesse komme!“ intonieren. Auf dem Domplatz warten nicht nur Olaf Bäuml und Michael Lederer, der sich unterwegs mit dem Fahrrad um die in Gruppe C mitfahrenden Rollis kümmert, auf die LäuferInnen, sondern auch noch ein ganzer Haufen emsiger Helfer, die Getränke und Bananen verteilen, heißes Wasser in die beliebten 5-Minuten-Terrinen gießen, die Dauerurkunden der ARQUE-Läufer abstempeln und verteilen u.v.m. Außer Dieter Baumann waren auch sonst noch einige LäuferInnen am Start, denen man vielleicht mal ein paar geschriebene Worte widmen sollte: In Gruppe A lief u.a. auch Ulrich Rötzheim mit, der im April 2003 den ersten Weiltalwegmarathon gewonnen hat. Nach 1998 und 2002 war dies sein dritter Start beim ARQUE-Lauf. Gruppe E ist nicht nur Schmelztiegel all derer, die sich unter- oder überfordern (wobei letztere teilweise leider nicht bereit sind, sich in eins der Begleitfahrzeuge zu setzen, um die Gruppe nicht so weit auseinanderzuziehen), sondern auch eine beliebte Gruppe für LäuferInnen, die den Laufjahresausklang wirklich ganz gemütlich und ohne Streß erleben wollen. Zu ihnen gehören unter anderem W60erin Sigrid Beck vom OSC Höchst – und die Riege der im Rhein-Main-Gebiet allseits bekannten sog. „Nieder Mädels“. Die Läuferinnen der SG 1877 Frankfurt-Nied sind nicht mehr die Jüngsten, aber sicher auch durch den Laufsport sehr jung geblieben. Die Jüngste läuft in der W55, die Älteste wechselt 2004 in die W70 und noch immer sieht man die Damenriege nicht nur bei 10 km-Wettkämpfen, sondern auch beim Marathon, beim Brüder-Grimm-Lauf (82 km an drei Tagen über fünf Etappen von Hanau nach Steinau an der Straße) und nicht zuletzt natürlich auch beim ARQUE-Lauf. Einer der Pacemaker in Gruppe E war Günter Böhnke aus Hofheim. Im Sommer lief er über 5.000 km von Lissabon nach Moskau (im Rahmen des erstmals durchgeführten Transeuropalaufs), heute nahm er auch nicht zum ersten Mal die Strecke von Kelkheim nach Mainz unter die Füße. In der mit 300 Mann (und Frau) größten Gruppe D an Bord: Angela Ngamkam und Edgar Kluge. Das „verrückte Laufpaar“ aus der Nähe von Groß-Gerau lief 2003 u.a. den Marathon des Sables und will am 14. Februar 2004 100 Meilen in Kanada laufen. Tagsüber wird’s dort um diese Jahreszeit bis – 30° C kalt, die Strecke wird nonstop zurückgelegt und die Teilnehmer müssen ihr Gepäck auf einem Schlitten, der sog. Pulka, hinter sich herziehen. Die beiden wollen ihren Lauf zu einem ARQUE-Spendenlauf machen, wenn Einzelheiten mit Michael Lederer besprochen sind, kann man sicher auf der Homepage des ARQUE-Laufs darüber lesen. Aber auch sonst ist natürlich jeder, der sich auf den Weg von Kelkheim nach Mainz macht, ein bemerkenswerter Spendenläufer – und einzeln aufzählen kann man sie halt nicht alle. Jedenfalls hörte man am Ziel in Mainz von allen Seiten ein oft genießerisch geseufztes „oh, wie war das heute wieder schön“, bevor sich die Gruppen auflösten und die Pendelbusse zurück nach Kelkheim nutzen, um zuhause den „geschundenen“ Muskeln ein heißes Bad und ausgiebiges Beinehochlegen zu gönnen. Und hier noch einige Hotlinks rund um den Lauf: www.arquelauf.de ist die Homepage des Laufs, über www.arque.de erreicht man den Verein selbst www.passtschon98.de ist die Website des „Haufens“, der von den ARQUE-Leuten „die Pacemakerschmiede“ genannt wird Und
wer sich für den Regionalpark interessiert, kann sich unter www.regionalpark-rheinmain.de
ausführlich und ausreichend informieren.
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