Alle Jahre wieder...    

 

Nein, noch ist nicht Weihnachten, und obgleich November, machte auch das Wetter dieses Jahr so gar keine Anstalten, sich winterlich zu zeigen. So pünktlich wie noch nie, nämlich nur 5 min nach 8 h wurden heute an 2 Startorten in kurzen Abständen 879 LäuferInnen auf die Strecke von Kelkheim (Hessen) nach Mainz (Rheinland-Pfalz) geschickt. Der ARQUElauf ist kein Wettkampf, viel mehr wird er in 5 geführten Laufgruppen durchgeführt, die schnellste Gruppe läuft einen Schnitt von 4:30 min pro km, die langsamste ein 6:30er Tempo. Erstes Kunststück für die TeilnehmerInnen ist es, sich der richtigen Gruppe zuzuordnen, denn jede/r entscheidet selbst, wo er/sie mitlaufen will. Wer sich in den ersten 4 Gruppen überschätzt, hat immer noch die Möglichkeit, sich an einer der drei Verpflegungsstellen ein bißchen länger aufzuhalten und mit der nächstlangsameren Gruppe mitzulaufen. Diese Option gibt’s in Gruppe E nicht, wer hier nicht mitkommt, sollte eigentlich in eins der mitfahrenden Autos (die allerdings auch die Gruppen B-D begleiten). Leider lassen sich nur sehr Wenige davon überzeugen, lieber einzusteigen und so zieht sich gerade diese Gruppe immer sehr weit auseinander – was nicht Sinn der Sache ist! Die Betroffenen sollten sich etwas kooperativer zeigen, in der Ausschreibung steht klar geschrieben, daß jeder das angepeilte Tempo grundsätzlich auch durchhalten können sollte. Und genauso gibt es immer wieder LäuferInnen, die sich unterfordern und dann versuchen, an den Pacemakern vorbei ihr eigenes Tempo zu laufen. Liebe Leute, Ihr solltet Euch mal überlegen, daß auch die Pacemaker diese Strecke erst mal bewältigen müssen und Ihr es ihnen deutlich schwerer macht, ihre „Arbeit“ gut zu machen, denn Tempohalten vor einer von hinten drückenden Gruppe ist ungleich schwieriger.

 

DerARQUElauf 2003 begann eigentlich schon am Samstagvormittag. Weil Sponsor Martin Kuzack, ein Studienfreund von Michael Lederer, dem Vater der Veranstaltung, heute seinen Gospelchor in Ratingen dirigieren mußte, hatte er sich entschieden, die Strecke schon am Samstag und notfalls alleine abzulaufen. Ein paar Tage vorher stand diese Ankündigung auf der Homepage des Laufs, aber da wollte denn doch keiner mitziehen und so lief Martin in 3 h von km 3,5 bis zum Ziel, während die emsige Truppe rund um Michael Lederer und Olaf Bäuml noch mit Hochdruck an den letzten Vorbereitungen werkelte.

 

Das passive RunUp fand dann wie gewohnt am Samstagnachmittag in der Schönwiesenhalle im Kelkheimer Stadtteil Ruppertshain statt. Um 16 h öffnet die Halle ihre Pforten und dann gibt’s erst mal Kuchen und Kaffee bevor abends die schon berühmte Gärtnerinnenpfanne (Gemüse mit Geschnetzeltem, dazu Spätzle) serviert wird. Natürlich gibt’s zwischen den Mahlzeiten auch noch Programm. In diesem Jahr konnte Michael Lederer den „Läufer im Ruhestand“, Dieter Baumann, für eine Teilnahme am ARQUElauf gewinnen und Baumann kam schon am Samstagnachmittag in die Halle, um an einer Podiumsdiskussion mit Lederer, Hartmut Falkenberg, einem Zauberer, der (auch) mit geistig Behinderten arbeitet, Raimund Fenten, einem seiner Schützlinge, Robert Hartmann, einem Sportreporter (aus seiner Feder stammt der Begriff „Weißer Kenianer“ im Zusammenhang mit Dieter Baumann) und Manfred Letzerich, einem in den 60er Jahren sehr erfolgreichen Bahnläufer (z.B. Deutscher Meister 1966 über 10.000 m) teilzunehmen. Nach der Diskussion hatte ich die Gelegenheit, mich noch mit Baumann zu unterhalten, eine Zusammenfassung des Gesprächs stelle ich ans Ende dieses Berichts. Zudem findet alljährlich die beliebte Tombola statt, bei der es, neben vielen vielen kleinen Preisen auch Freistarts für diverse Marathons zu gewinnen gibt, Hauptpreis ist eine einwöchige Reise zum Malta-Marathon im Februar. Diesen und einen Freistart beim Würzburg-Marathon gewann zur allgemeinen Belustigung einer, der seine Preise mit Sicherheit weitergeben wird: der 5jährige Anton (Nachname unbekannt).

 

Zum RunUp kommen auch immer wieder Leute, die selbst am nächsten Morgen gar nicht am Start stehen. Dieses Jahr zum Beispiel mit von der Partie: Kurt Stenzel. Im Moment hat er ein bißchen Probleme mit seinen Füssen und wollte sich und ihnen deshalb die knapp 34 km (genau 17.248 €meter) nicht zumuten.

 

Der Sonntagmorgen ist kein guter Tag für Langschläfer. Da der Start bereits um 8h erfolgt, stehen die meisten LäuferInnen irgendwann zwischen 5 und 6 h auf, um rechtzeitig in Kelkheim anzukommen. Noch früher beginnt der Tag für die umtriebigen Organisatoren, die holt der Wecker schon um kurz nach 3 h in die harte und auch noch recht kalte Realität. Aber auch, wenn’s morgens noch recht kühl war (aber immer noch warm im Vergleich zu den Vorjahren): das sollte sich recht schnell ändern, die Sonne ließ die Temperaturen sehr schnell nach oben schnellen, gegen Ende bemerkten die meisten: wir sind viel zu warm angezogen. 11° C waren vom Dt. Wetterdienst angesagt, nach meinem Gefühl dürften es letztlich doch fast 15 gewesen sein.

 

Die Strecke führte uns von Kelkheim durch den Ort Richtung Wald „rund im die Viehweide“: an der Gundelhardt vorbei geht’s auf der langen Schneise Richtung Meisterturm, auf der der höchste Punkt der Strecke bei km 6 erreicht wird – und erstmals stand hier eine Bläsergruppe, um den ARQUE-Genußläufern gehörig den Marsch zu blasen. Am Wildschweingehege vorbei erreicht man dann Hofheim, durchquert die Innenstadt und ist.. schwupps.. schon an der ersten Verpflegungsstelle kurz hinter km 12 angekommen. Auch hier läuft’s etwas anders als bei normalen Volksläufen: die Gruppe bleibt geschlossen stehen, man ißt, trinkt, bringt evtl. bereits Getrunkenes noch mal kurz hinter den Busch und nach ein paar Minuten trommeln die Pacemaker ihre Truppe wieder zusammen, um weiterzulaufen. Nach der Verlängerung der Strecke 2002 (von einstmals 31,161 auf heute 33,734 km) wurde dieses Jahr eine dringend notwendige 3. Verpflegungsstelle eingerichtet, so daß das ganze Prozedere auch 3x stattfand.

 

Von Hofheim aus geht’s über die Landstraße über Flörsheim-Weilbach in den Naturpark Rhein-Main, der die 5 Scharen entlang von Main und buntbelaubten Weinbergen, vorbei am Faulbrunnen (Schwefelbrunnen, der seinem Namen alle Riechehre macht) Victoriaturm und der Flörsheimer Warte Richtung Mainz-Kostheim führt. In Gruppe E gibt’s noch ein besonderes Bonbon: Pacemaker Hubert Leitermann vom MTV Kronberg übernimmt die Fremdenführung und weiß zu allem Möglichen, was so am Streckenrand zu sehen ist, etwas zu erzählen.

 

Wo letztes Jahr noch einige Wege überflutet waren, herrschte heute aufgrund des tollen Wetters auch der letzten Tage absolute Trockenheit und so blieben nasse blasenfördernde Strümpfe komplett aus.

 

Der Rest des Weges ist dann eine reine Stadtstrecke, durchs hessische Mainz-Kostheim führt uns der Weg Richtung Theodor-Heuss-Brücke, wo sich zu der hessischen Motorradeskorte noch die rheinland-pfälzischen Kollegen gesellen und die ARQUEläuferInnen mit la ola „erbarme – zu spät, die Hesse komme“ intonieren. Von hier aus sind’s noch knapp 2 km bis zum Domplatz, wo die Gruppen von Webmaster Olaf Bäuml, diversen Getränken, Bananen und 5-Minuten-Terinnen empfangen werden. Die morgens in Kelkheim abgegebenen Taschen warten in Zelten mit trockenen Sachen auf die geschwitzten Besitzer und dann bringen Busse die müden Krieger zurück nach Kelkheim.

 

Da, wie geschrieben, der ARQUE-Lauf kein Wettkampf ist, gibt’s natürlich auch keine Ergebnisse, Urkunden gibt’s dennoch: der Lauf zeichnet sich durch Dauerurkunden aus, in die man sich alljährlich durch einen Stempel die Teilnahme bestätigen läßt. Seinen 3. Stempel konnte sich heute Ulrich Rötzheim abholen, der im April 2003 den Weiltalwegmarathon gewonnen hat. Wie’s mit seiner Laufplanung 2004 aussieht, weiß er noch nicht genau, denn im März steht Nachwuchs Nr. 2 an im Hause Rötzheim.

 

Und hier noch die versprochene Zusammenfassung des Baumann-Gesprächs. Da ich seine Antworten nicht wortwörtlich mitgeschrieben, sondern mir nur Stichpunkte gemacht habe, ist eine Darstellung im Interview-Stil nicht möglich (warum hat mich eigentlich nie jemand Steno schreiben gelehrt?). Vorwegschicken möchte ich, daß es sehr schwer war, „gescheite“ Fragen an den vom aktiven Leistungssport zurückgetretenen Schwaben zu finden – irgendwie erscheint alles schon 100x gefragt und irgendwo geschrieben. With a little help from some friends habe ich dennoch welche mit nach Kelkheim nehmen können..

 

Einen Trainingsplan hat Baumann im Ruhestand nicht mehr wirklich. Ein Grobraster, das Umfang, Zeitpunkt und Trainingsart festlegt, gibt es schon, so etwas streift man auch sicher nicht so schnell ab. Aber statt früher 12x pro Woche, trainiert er jetzt nur noch 5-6x, läßt auch an Wochenenden mal 5 gerade sein, um mit der Familie wegzufahren. Meine Frage, ob seine Familie ihn ob der vielen Zeit, die er jetzt zuhause verbringt, nicht manchmal einfach laufen schickt, wurde lachend verneint, eher genießen die Kinder den „neuen“ Papa.

 

Ich hatte mir vorgestellt, daß sich der Leistungssportler Baumann jetzt etwas laxer ernährt als zu Berufssportlerzeiten, aber Baumann bleibt bei Rohkost und selbstgemahlenem Müsli, weil’s ihm einfach schmeckt, Und den nicht nur bei ihm beliebten Kuchen hat er auch früher schon gegessen, wenn ihm danach war.

 

Seine Laufseminare hat er nie als Berufsbaustein angesehen und hinsichtlich seiner weiteren Berufs-Lauf-Bahn läßt er sich derzeit etwas treiben, kann sich den Luxus erlauben, das Thema ganz in Ruhe und mit viel Muße anzugehen. Was am Ende dabei herauskommt? Wer weiß – vielleicht hat’s ja gar nichts mit dem Thema laufen zu tun..

 

Die Marathonstrecke reizt ihn schon noch, das Thema ist nicht gänzlich abgehakt. Aber eher kann er sich vorstellen, die 42,195 km einfach mal für sich in Tübingen zu laufen, um zu wissen, wie sie sich anfühlen – zu stark wäre der Leistungsdruck und der kritische Blick der Öffentlichkeit bei einem offiziellen Marathonwettkampf.

 

Alternativsportarten gibt’s auch im Hause Baumann: radfahren (mit dem Straßenrad) und Fußball würde ihn auch reizen, immerhin steht er auch als Fußballpapi am Spielfeldrand, wenn der Sohnemann kickt.

 

Und letztlich haben wir uns noch ein bißchen über die Vorbildfunktion eines so in der Öffentlichkeit stehenden Läufers und seine Ausstiege in Hamburg und Paris unterhalten. Mein öffentliches-Geld-Argument ließ er nicht gelten, Baumann bekommt seit 1992 kein Geld mehr von der Sporthilfe und auch die Zuschüsse aus dem Topf des DLV hielten sich sehr in Grenzen, von daher habe ich mich davon überzeugen lassen, dieses Argument aus meiner Sammlung zu streichen. Den „ein Vorbild macht so was nicht“-Vorwurf konnte er mir nicht gleich vom Tisch wischen, meinte aber, die Vorbild-These könne man auch von der anderen Seite betrachten, manchmal sei es einfach auch mutiger und/oder vernünftiger auszusteigen und das müsse auch dem Freizeitläufer vermittelt werden.. na ja.. davon möge sich jeder sein eigenes Bild machen.

 

Man mag zu Baumann stehen, wie man will, eins jedenfalls kam bei mir an: der Mann ist Profi durch und durch und er nimmt seine Gesprächspartner ernst, was ich persönlich als sehr angenehm empfunden habe.

 

Die Onlineanmeldung für ARQUE 2004 wird heute nacht schon eröffnet und wer weiß, vielleicht ist ja auch Dieter Baumann wieder dabei, wenn am 14. November 2004 um 8 h der Startschuß für Gruppe A zum 17. ARQUElauf knallt.

für laufreport im November 2003