Sind das die Athleten auf der Strecke? |
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Das war die Frage einer walkenden Hundehalterin im Wald von Bingen-Rochusberg, nachdem sie, durch Streckenposten vorgewarnt, von unter Volldampf rennenden Crossläufern überholt wurde.
Bereits zum 32. Mal fand am Sonntag in Bingen der Internationale St. Martins Cross statt, der damit sicher zu den ältesten noch verbliebenen Crossveranstaltungen in Deutschland gehören dürfte. Und es war das fünfte Jahr, daß die Rheinland-Pfalz-Crosslauf-Meisterschaften in diese Veranstaltung integriert waren. Bei allerschönstem Novemberwetter zog es ca. 300 Crosslaufwillige hinauf auf den Berg über Bingen. Rochusberg heißt der Ortsteil und von hier aus kann man über buntbelaubte Weinberge, Väterchen Rhein und das gegenüberliegende hessische Rüdesheim blicken. Das Veranstaltungsteam des LC Bingen unter Leitung von Karl-Heinz Ströher muß einen guten Draht nach noch weiter oben haben, denn es ist schon Sitte in Bingen, daß über dem Crosslauf die Sonne lacht. Blauer Himmel, eisige 6° C und ein teilweise frischer Wind waren die Randbedingungen, die es den Läufern leicht machten, alles zu geben, um warm zu werden und dann doch möglichst schnell wieder in warme Kleidung schlüpfen zu können.
Die Strecke ist ein 1.450 m langer Rundkurs, der mehrfach zu durchlaufen war. Dabei standen Distanzen zwischen 2.900 und 10.150 m zur Diskussion. Los ging’s auf der grünen Wiese des Jahnsportplatzes, den man nach ca. 50 m links herum in ein Wäldchen verließ. Einige Hundert Meter weiter folgten auf den Schatten des Waldes das helle Licht der Weinberge und der freie Blick runter auf den Rhein. Am Ende der langen Geraden kam das giftigste Stück der Strecke: ein kleiner Buckel mit integrierter scharfer Linkskurve. Über die Straße (für Spikesträger mit rotem Teppich präpariert), erneut zwischen Rebstöcke und dann links herum zurück ins Wäldchen und schon war man wieder auf dem Jahnsportplatz angekommen. Die Wiese mußte im großen Bogen überquert werden und schon war man auf der nächsten Runde. Auch der Zielbogen war mitten auf der Wiese aufgebaut.
Der Untergrund war durchgängig nicht allzu weich, schon gar nicht schlammig. Spikes waren zwar ok, aber im Gegensatz zu anderen Crossveranstaltungen nicht unbedingt erforderlich. Auch mit einem ordentlich profilierten normalen Laufschuh war man bestens ausgestattet.
Im Ziel erwartete die Läufer dann warmer Tee, die Zuschauer konnten Wurst oder Erbsensuppe vom DRK erstehen. Sonstige Verpflegung war Fehlanzeige, alle Fragen nach der allseits beliebten Kuchentheke mußten bedauernd verneint werden.
Anfangs war man etwas hinter dem Zeitplan zurück, bis 11 h betrug der Rückstand fast 20 min. Dieser konnte aber gut wieder eingeholt werden und der für 15.05 h angesetzte letzte und lange Lauf konnte pünktlich gestartet werden. Dem SWR mit seiner Aktion „Von 0 auf 42“ zuliebe hatte man diese eigentlich nur für Männer ausgeschriebene Strecke zum offenen Volkslauf umfunktioniert – ohne dies allerdings zumindest in der Internet-Ausschreibung zu veröffentlichen. Sicher wären so noch ein paar StarterInnen mehr zusammen gekommen.
Bis die Letzten im Ziel und die Sieger geehrt waren, war’s denn am Ende auch 18 h und inzwischen fast erbärmlich kalt geworden. Die Siegerehrungen der einzelnen Läufe wurden den ganzen Tag über zeitnah abgehalten, am Ende blieben wirklich nur die 10 km-Läufer übrig. 2005 soll die Veranstaltung, von der schon wieder feststeht, daß sie die Rheinland-Pfalz-Meisterschaften zum 6. Mal beherbergen wird, gestrafft werden. Es soll weniger Läufe geben, in denen dann mehrere Altersklassen gemeinsam auf die Strecke geschickt werden. Der 10.150 m-Lauf findet dann früher statt und wird auch hochoffiziell als offener Volkslauf ausgeschrieben werden. Auf der Langstrecke der Frauen über 3 Runden drehte Josefa Matheis (TSG Eisenberg) von Anfang an deutlich vor der Konkurrenz ihre Runden. Erst gegen Ende der 5.800 m schrumpfte ihr Vorsprung zusammen und sie rettete mit 22:47 min noch 4 sec vor ihrer Verfolgerin, Sabine Wolf aus Cottbus. Nur eine weitere Sekunde später war Elisabeth Dillo (TV Bad Sobernheim) im Ziel und damit Zweite der Rheinland-Pfalz-Meisterschaften.
Die Wertung „Senioren M 40 und älter“ über 7.250 m gewann unangefochten Uwe Manns (Post-Sport-Telekom Trier) in 25:11 min. Er nahm am Ende des Tages den 10.150 m-Lauf gleich auch noch mal in Angriff. Zweiter wurde hier Markus Zerges vom stark vertretenen TV Waldstraße Wiesbaden in 25:28 min, Dritter Christoph Kranz von der LG Bitburg-Prüm in 25:38 min. Beim abschließenden 10.150 m-Lauf dominierte Rafael Bender vom LC Bad Dürkheim ab der zweiten Runde das Feld und lief seinen Verfolgern auf und davon. In der ersten Runde lag er noch an vierter und fünfter Stelle, hat erst mal ausgelotet, wer da so mit am Start ist. Aber dann gab es kein Halten mehr. Mit 34:26 min war er fast genau eine Minute vor Dennis Oelert (Gerolsteiner LGV, 35:20 min) und Carsten Krause (Post-Sport-Telekom Trier, 35:26 min) fertig. Bender glücklich und zufrieden direkt nach dem Zieleinlauf: „Das hätte ich mir heute morgen auch noch nicht träumen lassen!“ Der Pechvogel des Tages wollte eigentlich auch Rheinland-Pfalz-Meister auf der Langstrecke werden, verfolgte den Wettkampf dann allerdings bandagiert auf einer Bank in der Sonne sitzend: Dietmar Bier von Post-Sport-Telekom Trier, in Köln noch 20. beim Marathon und zeitweise Hase für Claudia Dreher, knickte beim Warmlaufen um und bekam einen dicken Knöchel, der ihn am Mitmachen hinderte. Vielleicht war es ihm ja ein Trost, daß seine Clubkameraden die Mannschaftswertung mit knappen 2 Punkten vor der Troika des LC Bad Dürkheim für sich entscheiden konnten.
Am Streckenrand kann man manchmal auch wirkliche Witzigkeiten aus dem Teilnehmerfeld rausfiltern. Nicht nur, daß die armen „von 0 auf 42“-TeilnehmerInnen unterwegs immer wieder vom ein paar Meter mitlaufenden Kameramann interviewt wurden, bis ihnen die Puste ausging – da war zum Beispiel auch noch der Läufer, der seinem Konkurrenten, der ihm beim Überholtwerden auf die Startnummer schielte, zurief: „Du mußt keine Angst haben, ich bin aus Hessen“ Klammer auf – in der Meisterschaft mache ich Dir also keinen Rang streitig – Klammer zu.
für laufreport im November 2004
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