Hier schmelzen gleich die Löcher aus dem Käse |
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Einmal mehr war die Schweiz Ziel meiner Laufaktivitäten – diesmal sollte es der 50,4 km-Lauf von und nach Hindelbank sein. Übrigens: Wer in der Schweiz „Hindelbank“ sagt, meint meistens das (einzige?!) Frauengefängnis der Eidgenossenschaft.. Die
Veranstaltung ist relativ klein (insgesamt ca. 500 LäuferInnen und
WanderInnen am Start) und daher sehr familiär, die Startnummernausgabe
erfolgt ohne jeglichen Streß. Meine Email mit der Anmeldung war nicht
angekommen, aber das war gar kein Problem, ich füllte einen Anmeldezettel
aus und bekam trotzdem die ermäßigte Startgebühr. Derer gibt es übrigens
zwei beim Lauf- und Marschierverein Emmental: wer eine Medaille möchte,
bezahlt die halt. Da aber natürlich auch bei vorbestellter Medaille erst
mal der Zieleinlauf vorm Metall steht, wird die Startnummer einfach mit
einem dicken, fetten „JA“ versehen. Außer
dem 50 km-Lauf wird auch noch eine Wanderung auf derselben Strecke
angeboten, die Wanderer haben einen Startkorridor von 7.30 bis 8 h zur
Verfügung, die Menschen in den Laufschuhen werden pünktlich um 9 h auf
die Strecke geschickt. Zudem gibt es noch einen 25 km-Lauf, den nach dem
Zielort genannten Mänzliwilegglauf – der startet ¼ Stunde nach dem
50er und zusammen mit den 25ern gehen auch die sog. Teamläufer auf die
Strecke. In Deutschland würde das einfach „Staffel“ heißen, 2 Läufer
teilen sich die 50,4 km, gewechselt wird am Mänzliwilegg, nicht nur der
Mitte sondern dem gleichzeitig auch noch höchsten Punkt der Strecke. Aufgrund
des Höhenprofils (ca. 900 Höhenmeter sind zu bewältigen) hatte ich mich
am Freitag entschlossen, erstmals einen Wettkampf komplett ohne Uhr zu
bestreiten. Der Samstag versprach schon morgens, ein heißer Tag zu
werden, um 7 h zeigte das Thermometer bereits 13° C an, 28 sollten es
dann im Laufe der nächsten Stunden noch werden. Los
ging’s vor einer Schule, erst mal ein paar hundert Meter durch den Ort
und dann wurden wir in die Natur entlassen, die nächsten Stunden
streiften wir zwar noch hin und wieder die Zivilisation, aber das waren
nur kleine Dörfchen oder sogar einzeln stehende Häuser. Ich fand mich
gleich zu Beginn am hinteren Ende des Feldes wieder – Hohne ließ grüßen.
Der erste Buckel kam schon bei km 2. Großhirn an Beine: MARSCHIEREN. Hier
kam ich mit der Frau mit Startnummer 112 ins Gespräch: die 60jährige war
schon zum 20. Mal im Emmental am Start (und bekam dafür am Ende eine
goldene Medaille mit entsprechender Gravur) und wird in 3 Wochen zum 16.
Mal in Biel antreten. Überhaupt war dieser Lauf für viele, mit denen ich
gesprochen habe (was stellenweise aufgrund der Sprachprobleme ein wenig mühsam
war, sich aber immer schnell einrenken ließ) Bielvorbereitung. Sie gab
mir sogleich den Ratschlag, den ich eh beherzigen wollte: geh’ bloß an
jeder Steigung, die jetzt hier hochrennen, sammelst Du am Ende wieder ein.
Oder, wie mir ein Freund ein paar Tage zuvor mailte: der Samba wird auf
den letzten Kilometern getanzt. Ca.
bei km 5 kamen dann die schnellen Mänzliwilegläufer von hinten und das
Feld mischte sich und wurde auch ein kleines bißchen dichter (soweit man
überhaupt von dicht reden kann). Die
ersten 10 km waren, von der beschriebenen Steigung mal abgesehen, relativ
flach und damit gut laufbar. Aber dann ging es 15 km fast stetig bergauf,
mit kleineren Wellen zwischen km 17 und 21. Auf dem Weg dorthin konnten
wir vor allem viel sattes Grün bewundern, Traktoren beobachten, die so
schräg im Berg fuhren, daß ich mir schon überlegte, wie es kommt, daß
die nicht umkippen. Wir kamen vorbei an arbeitenden Bauern, die sich
wahrscheinlich fragten, was diese ganzen Verrückten da entlang ihrer
Felder machen und natürlich an Unmengen von Kühen und Pferden. Das alles
war schon so schön, daß sich bei mir fast sofort ein Urlaubsgefühl
eingestellt hatte. Der für mich absolute Streckenhöhepunkt kam kurz
hinter km 15: an einer Käserei war ein Verpflegungspunkt aufgebaut, an
dem ich mich ausführlich bediente. Dann ging es im wahrsten Sinne des
Wortes hoch auf eine Anhöhe, ich bog um die Ecke – und mir blieb die
Spucke weg. Plötzlich und ohne Vorwarnung hatte ich einen phantastischen
Ausblick auf die Berner Alpen mit dem berühmten Dreigespann Eiger, Mönch
und Jungfrau. Dieser Ausblick sollte mich so und ähnlich noch ein paar
Kilometer begleiten, aber die erste Überraschung war gelungen. Just jetzt
ging es auch noch leicht bergab und ich ließ mich von übermütiger
Freude und einer Blase, die dem Großhirn „bitte entleeren“
signalisierte, kurzfristig dazu verleiten, schneller zu laufen, als ich
eigentlich wollte. Aber was soll’s, mir ging’s gut und die Bremse habe
ich dann auch ganz schnell wieder gefunden. Die
Strecke war anfänglich kilometerweise markiert, dann nur noch in
5er-Schritten. Da aber die Mänzliwileggläufer bei unserer Halbzeit schon
im Ziel waren, standen plötzlich wieder Markierungen für einzelne
Kilometer an der Strecke. Aufgrund der etwas auseinanderliegenden
Startpunkte stimmten die für uns natürlich nicht ganz, aber wer seinen
Kilometerschnitt kontrollieren möchte, hat auf diesem Streckenabschnitt
ein schönes Hilfsmittel. An
der Verpflegungsstelle bei km 25 (derer gab es alle 5 km, am Ende noch mal
eine mehr bei km 47) erzählten mir die Sanitäter, daß sie schon
mehrfach im Einsatz gewesen wären – klar, inzwischen war es schon
knackig heiß geworden. Ich unterhielt mich kurz mit zwei Schweizern, die
ich schon ungefähr bei km 10 kennengelernt hatte und an den
Verpflegungsstellen immer wieder traf und die erstaunt waren, daß meine
Beine noch keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigten. Wie jetzt? Schon bei
km 25? Das wäre vielleicht doch noch ein bißchen früh... Weiter
ging’s, bergauf, bergab, aber die Marschierpausen wurden immer kürzer,
die Laufstrecken immer länger. Endlich! Etwa bei km 27 kamen dann die
ersten Gefällstücke, die ich nicht hätte laufen können, ohne mich der
Gefahr auszusetzen, die Strecke im Purzelbaum zurückzulegen. Großhirn an
Beine: auch wenn’s Euch nicht gefällt: MARSCHIEREN. Bei
km 30 las ich den ersten „meiner“ beiden Schweizer dann endgültig
auf, der mit Magenproblemen kämpfte. Schon jetzt begann für mich die
Samba: ich fing an, die ersten Dauergeher, die keine Wanderer waren,
einzusammeln, obwohl ich mich an jeder Verpflegungsstelle ausführlich
aufhielt, um massenweise Tee und mit Banane belegtes frisches knuspriges
Bauernbrot (manchmal sind Kindheitserinnerungen richtig zu was nütze) zu
mir zu nehmen. Bei km 40 dann kurze Zwiesprache: Großhirn an Beine: was
ist los da unten? Beine an Großhirn: nix, alles bestens, alles locker.
Großhirn an Augen, Ohren und Seele: ok, weitergenießen! Das ließen die
sich nicht 2x sagen und ich erntete immer mehr erstaunte Blicke, wenn ich
fröhlich lachend auch noch stehen blieb, um meiner Kamera etwas zu tun zu
geben. Ab km 44 wurde es ein wenig unangenehm, weil wir jetzt der prallen
Sonne schattenlos ausgesetzt waren, die letzten 5 km führten dazu immer
nur schnurgeradeaus an einem Bahndamm entlang, was für sich alleine an
diesem Punkt schon ziemlich ermüdend sein kann. Zwischen km 48 und 49 kam
noch mal ein kleines Schattenstück, in dem ich gleich 2 Gänge raus nahm,
um mich noch ein bißchen zu erfrischen, bevor ich zum Endspurt ansetzte:
Schnell noch das km 50-Schild fotografieren und dann die letzten 400 m ab
ins Ziel, das sich mitten auf einer Wiese befand. Großhirn an Beine: Ihr
könnt stehen bleiben, wir haben ferdisch! Beine an Großhirn: wie? Schon?
Schade! Die
Zielverpflegung war etwas dürftig, die Duschen dafür richtig heiß und
die Massagebänke waren leider schon zusammengeklappt, bis ich sie nach
Dusche und erster Kurzmahlzeit belagern wollte. Schade, denn der Zielschluß
für alle war, weil ja viele Wanderer auf der Strecke waren, erst um 19 h
und ich kam auch von den LäuferInnen deutlich nicht als Letzte ins Ziel.
Gerechnet hatte ich übrigens mit einer Laufzeit von ca. 6:30 h, die habe
ich um fast genau ½ h
erfreulich deutlich unterboten. Auffällig war morgens beim Start, daß sehr viele LäuferInnen in den Finisher-Shirts „Jungfrau 2002“ und „Davos diverse Jahre“ am Start waren – mir also viele erfahrene Bergläufer vorauseilten. Gewonnen hat den 50er schließlich Martin Job (Tann) in 3:19:24 h, Iwan Knechtle aus Appenzell folgte nur 1:52 min später und lag damit nur knappe 18 sec. vor Martin Gisi aus Dintikon. Bei den Frauen siegte Jacqueline Keller (3:42:45 h) mit fast 23 Minuten Vorsprung vor Brigitte Blättler (4:05:16 h) und Ursula Alder (4:06:56 h). Über 25 km blieben, trotz der deftigen Steigungen auf dieser Strecke, 12 Läufer unter 2 h. Hier gewann Bernhard Wampfler mit 1:37:45 h vor Bruno Jost (1:40:18 h) und Roger Kaufmann (1:46:47 h). Bei den Frauen siegte Trudi Stäuber (2:09:42 h) vor Heidi Seiler (2:17:34 h) und Priska von Büren (2:20:53 h). Alle
Ergebnisse und weitere Infos findet man im Internet unter www.lmve.ch
und wer wissen will, wie das Ganze mit den schönen Fotos im Laufreport aussah, der klicke HIER (Achtung: pdf-Datei, der Acrobat Reader wird zum Lesen benötigt) für laufreport im Mai 2003 |
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