Der Erste ist irgendwie der Schönste

Am Wochenende starten sie wieder - die ganzen Marathon-Newbies, die sich, wie ich vor 2 Jahren, Hamburg als ihren ersten Ernstfalltest über 42,195 km ausgesucht haben. Hamburg, auch ohne Marathon eine Reise wert, hat ein tolles Publikum, eine tolle Strecke, ein wirklich gutes Orga-Team - also gute Voraussetzungen für den, der seinen ersten Marathon gut überstehen will und dazu auch lieber ein paar LäuferInnen mehr um sich rum hat. Ich werde in 2 Wochen meinen 5. Marathon laufen - und denke so manches Mal etwas sentimental an die Zeit vor 2 Jahren zurück, als ich manchmal vor Angst doch etwas schlotterte, wenn ich an diese Strecke dachte. "Wozu hat denn der Mensch das Rad erfunden?" war nur ein Statement aus meinem nichtlaufenden Bekannten- und Freundeskreis, als ich von meinen Plänen erzählte. Heute haben sich, wie ich, alle dran gewöhnt, daß ich solche Distanzen zu Fuß zurücklege und keiner lästert mehr oder bekommt vor ungläubigem Staunen tellergroße Augen. Und nicht nur die Routine der eigenen Umgebung ist es, die die weiteren Marathons zu etwas anderem macht als es der Erste war. Vor Hamburg hatte ich noch richtig Angst, mein einziges Ziel war es, gut durchzukommen (und den Besenwagen nach Möglichkeit nicht sehen zu müssen). Ein Jahr später, Paris stand vor der Tür, hatte ich die noch immer, aber das Gefühl war schon ein anderes - ich wußte ja, daß ich 42 km laufen kann, die Frage war nur, ob ich sie anders überstehen würde als Hamburg. Mein Dritter war dann Frankfurt - da waren die 42 km an sich schon gar kein Problem mehr, mehr mein Kopf, weil ich hier jeden Meter kannte. 5 Wochen später nahm ich mir Bad Arolsen vor - und wich damit das erste Mal von asphaltierten Straßen in den Wald aus. Bei aller Nervosität war aber auch hier die Sicherheit: 42 km kannst Du laufen, das hast Du ja nun schon öfter bewiesen. Und jetzt? Vorm 5. hat mich schon der Ehrgeiz gepackt, es geht gar nicht mehr nur ums Ankommen, sondern um das Knacken einer für mich vor einem Jahr noch unerreichbar scheinenden Zeitgrenze. Klar - auch das macht nervös - aber anders. Vorm Ersten weiß man eben einfach gar nicht so richtig, WIE lang 42 km wirklich sein können. Oder wie kurz. Auch das soll's geben. Ich kann Euch nur sagen: genießt diese Unsicherheit, sie kommt nicht wieder. Und ich habe den Eindruck, sie macht's irgendwie auch leichter. Meine Startnummer von "damals" und die Schuhe, die mich das erste Mal über diese Strecke begleitet haben, hängen jedenfalls in meiner Ego-Ecke, sie sind, wie dieser Lauf, etwas Besonderes für mich. Allen Newbies in Hamburg und auf anderen Laufstrecken in den nächsten Wochen drücke ich feste die Daumen, daß Ihr den Spaß am Laufen behaltet und die 42,195 km gut übersteht - inclusive der schönen Tränen, die fließen, wenn Ihr die Ziellinie überquert habt. 

(für running-pur im April 2002)