Indian Summer mitten in Deutschland |
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Vorab: man mußte an diesem Wochenende nicht bis Chicago fahren bzw. fliegen, um Marathondebutanten siegen zu sehen! Nach Tagen des Regens war dieser Sonntag ein goldener für das Läufervölkchen, das sich zahlreich in Essen am Baldeneysee eingefunden hatte. „Der Pott“, das ist für viele, die nicht von dort kommen, gleichbedeutend mit „Zechen“, „graue Städte“ und „Depression“. Schon auf dem Weg nach Essen von Süden aus kommend wird man schnell eines Besseren belehrt und wenn man dann den Baldeneysee mit den vielen weißen Segeln vor sich sieht, kann man eigentlich gar nicht anders, als restlos begeistert zu sein. Dabei ist dieser See gar kein natürlicher, sondern ein Stausee der Ruhr, der in den Jahren 1931-1933 entstanden ist. Das Regattazentrum, Dreh- und Angelpunkt des ältesten deutschen Marathons „rund um den Baldeneysee“, steht auf dem Gebiet einer ehemaligen Zeche. Da die Uferlänge des Sees nur 14,7 km beträgt, muß auch bei einer Strecke von 2 Runden noch ein bißchen was drangehängt werden und so geht’s zu Beginn und natürlich auch in der 2. Runde ein bißchen oberhalb des Sees in den Essener Stadtteil Werden. Hier beginnt auch der 1. Sightseeing-Teil des Marathons: Villen, die nicht nur andeuten, daß ihre Eigentümer Geld haben und die fast 1.000 Jahre alte Luciuskirche (und damit die älteste Pfarrkirche nördlich der Alpen) lenken die Aufmerksamkeit der Marathonis auf sich. Dann geht’s etwa 7 km entlang des Sees und in der ersten Runde an der Kampmannsbrücke in Kupferdreh auf ein ca. 2,5 km langes Wendestück auf der Wuppertaler Straße, die stadteinwärts für den Verkehr gesperrt ist. Etwa bei km 18 ist man wieder am See und auf dem Weg zurück zum Regattahaus läßt man auch noch das Baldeneyer Schloß aus dem 13. Jahrhundert links liegen. Die 2. Runde ist genau um das Wendepunktstück kürzer, was sicher für den Einen oder die Andere ein mentaler Vorteil ist. Die Strecke wird als „flach“ angekündigt und tatsächlich ist sie trotz einiger kurzer Hubbel sicher als „schnell“ und ganz sicher nicht als „hügelig“ zu bezeichnen. Eng ist es auf den beliebten Inliner-Wegen rund um den See und so hatte in den letzten Wochen wiederholt in der Zeitung gestanden, daß dieser Sonntag ein inlinerfreier sein muß rund um den See – und allzu viele Läufer auf 4-5 Rollen (pro Fuß) sah man dann auch nicht. Trotz daß der Essen-Marathon ein Landschaftsmarathon ist, gibt’s immer mal Dicke-Backen-Bands, Sambatrommler und Moderatoren mit Musik aus der Konserve an der Strecke, was auch in bißchen Abwechslung in die Augen und Ohren der Marathonis bringt. Wie das bei Landschaftsmarathons so üblich ist, gibt’s pro Runde nur 4 Versorgungsstellen, Vieltrinker sind also gut beraten, sich einen Trinkgurt umzuschnallen. Hatte Orga-Chef Gerd Zachäus morgens beim Start noch von einem Teilnehmerrekord gesprochen, mußte er diese Aussage angesichts von etwa 200 nicht abgeholten Startnummern nachmittags noch revidieren – 1.686 waren letztlich im Ziel. Der Schnellste war bisher in der Marathonszene ein unbeschriebenes Blatt – und lief gleich deutsche Jahresbestzeit. Der für Wattenscheid startende Essener Carsten Schütz schrammte bei seinem ersten Marathon überhaupt mit 2:14:56 h nur knapp an der Norm für den B-Kader des DLV vorbei. Bis km 30 hatte er einen prominenten Hasen: Sebastian Bürklein machte die Pace für seinen Lauffreund und absolvierte so einen langen schnellen Lauf für seinen Start beim Frankfurt-Marathon in 14 Tagen. Der 28jähirige hatte sich selbst eine 2:17-2:18 zugetraut und war ohne Druck an sein Debut auf der Langstrecke herangegangen. Seine längste Wettkampfstrecke bisher war der Halbmarathon. Als Trainee mit einer 30 h-Stelle bei der Sparkasse Bochum hatte der Diplom-Kaufmann in den letzten Monaten genug Zeit, um zu trainieren. Jetzt ist sein Vertrag ausgelaufen und Carsten ist auf Jobsuche. Wer ihm weiterhelfen möchte, kann ihn unter carsten2531@compuserve.de erreichen. Sein Vorsprung auf den Zweiten war groß, Holger Ahrenberg von der ausrichtenden TUSEM Essen kam mit 2:25:29 h fast 9 min hinter dem schnellsten Marathonis Deutschlands 2003 ins Ziel. Dritter wurde James Carlton, er startet für die LAG Gütersloh. Der M40er brauchte 2:33:29 h. Schon als 4. im Gesamteinlauf kam die Siegerin bei den Frauen ins Ziel: Romy Spitzmüller von der LAZ Leipzig war ebenfalls Marathondebütantin. Die 22jähirge Studentin der Medienwissenschaften bereitete sich seit etwa ½ Jahr auf ihren ersten Start über 42,195 km vor, rund 200 km lief sie dabei pro Woche. Ihre Bestzeit über Halbmarathon liegt bei 1:07:16 h. Zusammen mit einigen anderen Leipzigern war sie eigens für den Marathon angereist, weil sich bis dort rumgesprochen hatte, daß die Strecke schnell ist. Romy hatte sich selbst eine Zeit unter 2:40 h erhofft – und lag mit ihren 2:34:55 h nicht nur weit unter ihren eigenen Vorgaben, sondern war gleich auch noch fast 6 min schneller als Marlis Fröhlich, die bereits 1982 den bis heute gültigen Streckenrekord aufstellte. Zweite wurde die Polin Ewa Fliegert; sie kam nach 2:52:55 h als Gesamt-46. ins Ziel. Auch noch unter 3 h blieben die Dritte Ute Spicker (Team Essen 99) 2:58:16 h und Sabine Hock vom TV Haibach (2:59:19 h). 1oder 2 Tage nach ihrer tollen Leistung beim Aschaffenburger Cityhalbmarathon hat Sabine sich ganz spontan entschlossen, mit Günter und Marion Guderley nach Essen zu fahren und dort ihre gute Form auszunutzen. Die Fahrt hat sich gelohnt, denn sie lief auch über Marathon neue persönliche Bestzeit. Ebenfalls aus Aschaffenburg kam die Siegerin der AK W60. Ingrid Perkampus lief wie ein Uhrwerk ein gleichmäßiges Rennen, brauchte für den ersten HM 1:51:45 min und war auf der zweiten Hälfte nur 7 sec. langsamer. 3:43:37 h sind sicher ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Gestreßt, aber gut gelaunt zeigte sich Gerd Zachäus nach dem 41. Marathon rund um den Baldeneysee sehr zufrieden mit den Tagesergebnissen. Vielleicht werden ja im Jahr 2004 die 2.000 LäuferInnen erreicht – die Fahrt nach Essen lohnt sich jedenfalls, vor allem, wenn auch noch das Wetter sich von seiner besten Seite zeigt. Alle Ergebnisse gibt’s im Internet unter www.essen-marathon.de
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