Sonntag,
28. Oktober 2001. Durch die Zeitumstellung auf Mitteleuropäische
Winterzeit konnten wir eine Stunde länger schlafen, was wir auch schamlos
ausnutzten. Nach einem kleinen Toastfrühstück kippten wir kurz vorm
Gehen noch einen Ultra-Starter in uns rein und machten uns im Nieselregen
auf Richtung Festhalle. Da trudelte so nach und nach fast der ganze
passtschon98-Haufen ein, das Supportteam übernahm die letzten Tütchen
unterschiedlichen Inhalts - und dann irgendwann (endlich) ging's runter in
die Startblocks
Ich hatte mit meiner angegebenen Bestzeit von 4:37 h den Block B1, was ich schon reichlich merkwürdig fand - dazu komme ich später nochmal. Da es inzwischen so richtig zu regnen angefangen hatte, stellte ich mich noch in einem Hauseingang unter - da stand ein Läufer ohne Chip am Schuh, aber mit Startnummer um. Von einer Mituntersteherin angesprochen, wußte er gar nicht, daß man einen Chip braucht, es hätte ihm keiner einen gegeben - Nerven haben manche Leute. Oder: wer (die Ausschreibung) lesen kann, ist klar im Vorteil. Um 5 vor 11 begaben sich dann so langsam alle in die Startblocks - im B-Bereich gab's absolut kein Gedränge, keine Enge. Per Lautsprecher wurde der Startschuß von der anderen Straßenseite übertragen - und los ging's. Bei km 1 sah ich auf der anderen Seite der Mainzer, wo die A-Läufer unterwegs waren, Achim nur ca. 20 m vor mir und bekam einen riesigen Schrecken, was der wohl so weit hinten macht - meine Uhr zeigte immerhin 5:43 min. Gut, ich war viel zu schnell, wollte ja mit 6:15 angehen, aber Achim?! Auf der Bockenheimer Landstraße, so bis km 2, hatten mich allerdings dann noch einige passtschoner überholt, die deutlich schneller laufen als ich und da war mir dann klar: die B-StarterInnen waren einfach wirklich alle viel langsamer als die A'ler - und im Grunde genommen liefen wir denen noch im Weg rum. Ich verstehe wirklich nicht, warum nicht im Bereich B1-B2 Leute mit ähnlichen Zeiten starten wie im Bereich A1-A2. Bis km 7 hatten mich dann alle p98erInnen überholt, die definitiv ca. 1 h und mehr schneller laufen als ich - das Feld hatte sich offenbar einigermaßen eingependelt. Kurz vorher hatte mich noch ein Barfußläufer überholt, der gerade seinem Nebenmann erzählte, bei km 30 würde jemand mit Schuhen auf ihn warten, falls er die Barfußlauferei nicht bis zum Ende durchhält. Wie schon gesagt: Nerven haben manche Leute..... Bei km 3-Schild bekam ich nochmal einen kurzen Schrecken, meine Uhr zeigte 6:40 min für den letzten km, obwohl ich nicht für mich spürbar so viel langsamer geworden war. Als ich dann aber um mich rum mehrere Stimmen vernahm, die sich über den nicht stimmenden km unterhielten, war's dann auch ok und wenn ich meine Zeiten der km 3-5 zusammenrechne und durch 3 dividiere, kommt's auch wieder hin. Und so ging's dann durch meine verregnete Heimatstadt, die sich wahrlich nicht von ihrer besten Seite zeigte. Auch die Zuschauerreihen waren meistenteils relativ dünn - und selbst da, wo sie dichter wurden, war leider nicht allzuviel Stimmung, viel fehlte nicht zum Negativvergleich mit Paris. Sabine R. von p98 meinte später "manche guckten einen an, als ob man ihnen Geld schulde" - und das trifft's auch irgendwie. Von km 10-12 standen diverse Freunde an der Strecke, denen ich begeistert zuwinkte - bei km 11 gab ich meiner Freundin Claudia auch gleich mal meine Regenweste mit. Naß war ich jetzt von innen sowieso auch und die Weste war mir zu warm geworden. Am Beginn der Kennedyallee beschlich mich mal kurz das befürchtete "bääähh.. jetzt so lange immer hier geradeaus", aber das schlich sich zum Glück schnell wieder von dannen und ich lief einfach ruhig meinen Trott vor mich hin. In Niederrad kamen wir an einer Kneipe vorbei, vor der ein beleibter älterer Niederräder saß, Bier und Äppler auf einem Tisch neben sich und uns unermüdlich "Ihr packt das" zurief - da habe ich das erste Mal richtig herzhaft gelacht. Kurz hinter km 16 überholte mich Joey Kelly mit seinem Begleittroß und ich feixte gleich mal mit einem seiner Leibwächter, ob sie heute so langsam seien oder ich so schnell. Er meinte zwar, ich sei so schnell, aber ich fürchte, das war eine Lüge ;-). Weiter ging's durch die öde Bürostadt Richtung Goldstein, wo Gunter mir bei km 20 (inzwischen hatte es auch aufgehört, zu regnen), meine Kappe abnahm und mir mein Stirnband und vor allem meinen Walkman in die Hand drückte. Die nächsten 17 km lief ich mal wieder in Begleitung von Rufus Beck und Harry Potter, was mir half, mich auch zu Zeiten, als ich merklich müder wurde, einfach abzulenken. Was nämlich fast völlig fehlte, waren die ach so angepriesenen Straßenfeste entlang der Strecke - ob die dem Wetter oder einfach der Unlust zum Opfer gefallen waren, weiß ich nicht, ich vermute, es war beides. Lisa & Martin von p98 standen und knipsten bei km 28 (ca.) und 30 (genau) - da mußten sie sich nämlich immer nur von einer Straßenseite auf die andere drehen (und der Straßenbahn ausweichen) - und ich glaube, ich sah bei km 30 sogar schon wieder besser aus als ein paar Minuten vorher, das werden die Beweisfotos ja dann zeigen. Weiter ging's durch Nied und über die einzigen wirklichen Höhenmeter auf dieser Strecke: die S-Bahn-Unterführung am Bahnhof Nied - und dann bogen wir auch schon auf die Mainzer Landstraße ab, die's dann elend lange geradeaus runterlief, durch das Gewerbegebiet, also auch fast zuschauerlos. Auch hier beschlich mich kurz ein Gruseln ob der Strecke, die ich noch vor mir hatte, aber wirklich nur kurz. Ich hatte im Vorfeld am meisten Angst davor, daß ich die ganze Strecke quasi in- und auswendig kenne, obwohl ich sie noch nie gelaufen war, aber ich bin heilfroh, daß ich diese mentale Feuerprobe so gut und relaxed hinter mich gebracht habe. Schon war ich wieder in der Stadt, sah das Ziel ein paar 100 m links von mir - und es machte mir irgendwie gar nichts aus, jetzt nochmal in die City laufen zu müssen. Ab km 39 hatte ich zwar fast stetig das Gefühl, mich übergeben zu müssen - völlig neu für mich und nicht besonders witzig. Nachdem ich bei 39,9 dem Vänmän wirklich fröhlich zugewunken hatte, habe ich dann auch bei km 40 auf die eigentlich obligatorische Banane verzichtet. Auch auf den letzten km standen wieder einige Freunde und Bekannte am Straßenrand, so daß ich nochmal so richtig aufgemuntert wurde. Bei km 41,5 lief ich an Martin D. von p98 vorbei, der mich nicht ziehen lassen wollte - so viel Chauvi sei er (O-Ton in meinem Rücken, bevor er nochmal Gas gab und bis zum Ziel immer 1/2 Schritt vor mir blieb. Sagte ich schon, daß manche Leute Nerven haben?!). Endlich (mit neuer Bestzeit von 4:23:05 h) im Ziel angekommen, holte ich mir meine verdiente Medaille ab - und bekam gleich einen (DEN) Wermutstropfen der Organisation mit. Leider tummelten sich massenweise NichtläuferInnen im Zielbereich und vor mir ließ sich eine Frau in Zivil eine Medaille für ihren Schwiegervater geben, der sooooo gerne eine hätte. Mein böses "ich hoffe, dann bekommen auch noch alle LäuferInnen eine" zum Mann, der mir meine Medaille umhängte, wurde von diesem mit einem "das hoffe ich auch" erwidert. Nachher erzählte mir Achim, daß er sah, wie ein Mann mit 4 Kindern, den Rucksack voll mit Bananen und Power-Sports-Flaschen, die für die LäuferInnen gedacht waren, für seine Kinder Medaillen schnorren wollte - und zumindest eine bekam (wer weiß, bei wie vielen Leuten er noch erfolgreich war). Am Ende gab's für Läufer ab einer Einlaufzeit von deutlich unter 5 h schon keine Medaillen mehr, obwohl die offizielle Zielzeit ja sogar erst bei 5:30 h lag. Ein Armutszeugnis für den Veranstalter (mal wieder). Gerade bei 5 h und mehr dürften viele Newbies die Ziellinie überquert haben - und die bekamen KEINE Medaille mehr. Man kann darüber spekulieren, ob's genug gegeben hätte ohne die Schnorrer und ich hoffe sehr, daß noch Medaillen nachgeprägt und nachgeschickt werden. Immerhin steht in der Ausschreibung, daß man unter 5:30 h für sein Startgeld eine Medaille bekommt - im Grunde genommen ist das glatter Vertragsbruch - mal abgesehen von der riesigen Enttäuschung, die natürlich viel schwerer wiegen dürfte. Mir geht's heute, am Tag danach, schon wieder richtig gut, von Muskelkater keine Spur. Und es ist schon irre: ging es mir bisher immer darum, meine Marathons einfach gut durchzustehen, spekuliere ich jetzt schon darüber, wie ich meine Zeit noch deutlich verbessern kann, ohne viel schneller laufen zu müssen: ich verbummle nämlich massig Zeit an den Verpflegungsstellen - hätte ich hin und wieder eine ausgelassen und statt dessen das Wasser getrunken, das ich eh (unangetastet) auf dem Rücken mit mir rumgetragen habe, wäre sicher eine Zeit von unter 4:20 h drin gewesen. Aber sei's drum - ich bin mal wieder mächtig stolz, 42 km gelaufen zu sein, was andere nicht mal mit dem Fahrrad schaffen :-). Mein Fazit: alles in allem war der gestrige Tag entzückend, Baby!
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