Drüberkicken? Ach wo!

(ausnahmsweise mal wieder ein reiner Erlebnisbericht)

"Das kannst Du über den Harz kicken" - das war das Erste, was ich vor vielen vielen Jahren mal über den Harz hörte und auch benutzte. Später kam dann noch das Wissen über den Brocken und die Walpurgisnacht hinzu. Das war's dann aber auch schon. Im Harz selbst war ich noch nie - und jetzt wollte ich ihn gleich queren und das auch noch zu Fuß.

 

51 km mit über 1.000 Höhenmetern von Wernigerode (Sachsen-Anhalt) nach Nordhausen (Thüringen) - vorher mit dem Auto aus Hessen über Niedersachsen nach Wernigerode - 1/4 aller Bundesländer an einem Wochenende. Das hat doch auch was. 

 

Am Freitag fuhr ich also los - bei strömendem Regen. Aber zum Glück verhieß wetter.com für den Harz und das Wochenende besseres Wetter. In Wernigerode angekommen, war's wenigstens trocken und sowohl Manfred Iser, als auch Gerald Baudek, Peschels und Schlepper Manfred Hentrup waren schon da. Also genehmigten wir uns erstmal ein ausführliches Jugendherbergenabendessen und holten dann unsere Startnummern ab, trafen bekannte und (noch) unbekannte Gesichter, plauderten hier und da - das Übliche eben, vertraute und liebgewonnene Gewohnheiten. 

 

Am Samstag ging's um 8.30 h auf die Strecke. Ich lief zusammen mit Uli und Daniela Schulte los. Lief? Naja.. das ist doch wohl etwas übertrieben. Gleich zu Beginn der Harzquerung geht's so steil bergauf, daß kaum jemand läuft, die meisten fangen direkt an zu wandern. Daniela meinte auch "das ist ja ein toller Lauf, das gefällt mir: gleich zu Beginn Gehpause". Bei der Harzquerung sind keine Kilometer ausgeschildert (und das, obwohl dieses Jahr die DUV Landschafts- und Crossmeisterschaften über 50 km integriert waren), die einzigen Anhaltspunkte sind die Verpflegungsstellen und auch von denen gibt es wenig, nämlich nur bei km 11,5-20-31-43 und zwischendurch bei 39 und 46 nochmal Getränkeposten. Die Verpflegungsstellen sind übrigens 1a bestückt: Tee, Saft, Iso, Cola, Wasser, Bananen, Orangen, Äpfel, Zitronen,  Kekse, Schmalzbrot, Butterbrot. Nicht alles überall, aber doch das Meiste.  Dummerweise gab's ausgerechnet auf dem Poppenberg bei km 39 nur noch Saft und auch anschließend kein Cola mehr - das ist halt das Pech der Langsamen. Dafür habe ich  mir dann eben hoch droben auffem (Poppen)Berg ein Squeeze reingedrückt *brrrrrrrr* - widerlich, aber hilfreich. Im Ziel gab's übrigens nur Tee, Schmalzbrot und Butterbrötchen - die Verpflegung unterwegs war um Längen besser!

 

Aber auch bis dahin mußte ich erstmal kommen. Die Harzquerung ist ein echter Cross- und Landschaftslauf: so gut wie keine Straße, dafür aber über Stock, Stein und Wurzelwerk, bergauf und bergab - und das teilweise richtig heftig. Bis km 39 lief ich mit Uli, Daniela hatten wir an der Verpflegungsstelle bei km 20 verabschiedet, sie lief "nur" die 25 km-Strecke - auch schon ziemlich viel für eine 14jährige! Aufgrund meiner schlechten Vorbereitung war ich äußerst skeptisch, ob ich das alles so schaffen könnte und war mir außerdem recht sicher, die 7.30 h Zielzeit auch ziemlich ausnutzen zu müssen. Eigentlich sollte die Harzquerung mein dritter und letzter "anständiger" (also ganz langer) Vorbereitungslauf für den Rennsteig werden, aber aufgrund einer Virusinfektion und lange belegter Bronchien fiel der 6 h-Lauf in Rotenburg ins Wasser  und der Marathon Dt. Weinstraße mutierte für mich zum Halben. Für diese Verhältnisse lief's dann doch recht gut. Klar hatte ich schon vor km 30 meinen ersten Hänger, aber da war Uli noch ablenkend da und ich genoß die Gespräche und auch die wunderschöne Landschaft. Der Frühling hat schon richtig Einzug gehalten und so grünte und blühte es allüberall. 

 

Etwa bei km 29 kamen einige Läufer von rechts und ich fragte ganz erschrocken, wo die denn herkämen, ob wir am Ende eine große Schleife laufen müßten und auch da wieder rauskämen. Aber Uli beruhigte mich: das waren die 28 km-Läufer, die in Benneckenstein gestartet waren und sich ab hier die Strecke mit uns teilen würden.  Bald kamen auch ein paar Bergabpassagen, die nur sehr schwer zu laufen waren. Ich war froh, daß der Untergrund so gut und fast trocken war. Man mußte so schon bei jedem Schritt aufpassen, wo man hintrat, die Landschaft um mich rum bekam ich hier nur am Rande mit, ich wollte mich nicht ablenken lassen. Kaum auszudenken, wie sich das bei Regen läuft. Uli erzählte von der Regenharzquerung vor 2 Jahren und der Tatsache, daß er sich am laufenden Band abgelegt hätte. Na vielen Dank!

 

Daß viele Höhenmeter zurückzulegen waren, wußte ich natürlich vorher aus der Streckenbeschreibung. Was da aber nicht zu sehen ist, sind die kleinen giftigen Wadenbeißer zwischendurch: über Geröll hoch auf die Bahntrasse, um diese zu überqueren etwa; oder in Neustadt, bei der einzigen Ortsdurchquerung, ein kleiner Hügel, weil der Weg geradeaus durch eine Baustelle versperrt war. Da kam Freude auf. Oder die vielen aus glitschigen Rundhölzern bestehenden Brücken über irgendwelche Bäche und Gräben: über (mehr als) 7 Brücken mußt Du gehen - laufen ist da sehr schwierig.

 

Aber, und das fand ich ganz beachtlich, es hat zu keiner Zeit wirklich aufgehört, Spaß zu machen. Ich habe mir zwar, besonders auf den letzten 12 Alleinkilometern, schon ab und zu mal die Frage gestellt, ob es so sinnvoll ist, in 3 Wochen von Eisenach nach Schmiedefeld zu laufen, aber verflucht habe ich die Strecke an keiner Stelle - was sonst doch schon öfter mal vorkommt :-). Vielleicht wäre das schlimmer gewesen, wenn ich die ganze Zeit über alleine gewesen wäre. Denn wenn man so weit hinten läuft, ist es doch ziemlich einsam. Allzu viele Läufer gibt's bei der Harzquerung nicht (dieses Jahr 289 im Ziel, letztes Jahr sogar nur 209 ) und ich hätte wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes stundenlang keine Menschenseele getroffen - sowas muß man mental abkönnen.

 

Im Ziel dann die Hektik: Peschels, die Manfreds und Gerald haben, obwohl sie teilweise schon STUNDEN vor mir im Ziel waren, auf mich gewartet, wollten aber schon den nächsten Bus nach Wernigerode bekommen. Und der fuhr knappe 10 min nach meinem Zieleinlauf. Also schnellschnell in die Umkleidekabinen, Rucksack gesucht und gefunden (so schwer ist das nicht mehr, wenn man fast zum Schluß reinkommt) und schnell in trockene Klamotten geschlüpft - die Duschen waren eh kalt. Und so haben wir auch den Bus  noch erreicht und hatten auf der über einstündigen Rückfahrt auch noch ne Menge Spaß. Ein Extrahoch auf Gerald und seine Idee, einen Marmorkuchen einzupacken. Er bekam das Prädikat "beste Kuchentheke von Nordhausen". Übrigens mußten wir auf der Heimfahrt mal anhalten, weil ein paar Jungs menschliche Bedürfnisse hatten - da sag' nochmal einer, nur Mädchen müßten immer unterwegs.....

 

Und damit ziehe ich auch schon das Fazit: die Harzquerung ist ein wirklich toller Landschaftslauf, der eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient und den  kam keineswegs über den Harz kicken sollte. Der Harz ist eine Gegend mit viel Gegend, also auch viel Grün, viel Wald, aber auch viel Weite, wenn man den Wald verläßt. So richtig eine Landschaft, in der einem die Städterseele aufgeht und man sich schon beim Hingucken entspannen kann. Der Lauf ist schon sehr anstrengend, aber durch den ständigen Rhythmuswechsel gut zu beherrschen. Und wer so richtig gut bergab laufen kann, der hat an manchen Stellen sicher noch seine zusätzliche Freude. Die Fahrt in den Harz lohnt sich auf jeden Fall!

 

 

Mein Ergebnis: 285. von 289 Finishern, 6:51:08 h (also doch "viel" schneller als befürchtet) und beim Zieleinlauf noch ein Lachen im Gesicht - ich sah schon fertiger aus und das nach weniger Kilometern!

Foto von Manfred Iser. Größer? Dann klick' drauf

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