Kunstvolles Lauftraining mit dem Städel, JPMorgan und Dr. Harald Schmid

   

Ende Juni ist es wieder so weit: Frankfurt rennt, läuft, geht und walkt. Gemeint ist nicht etwa der Frankfurt-Marathon sondern eine Veranstaltung, deren Teilnehmerzahl sich in den letzten 10 Jahren verhundertfacht hat: der Chase Corporate Challenge Lauf. 2002 waren 51.000 Arbeitnehmer diverser Firmen am Start dieses „Jogging gegen Mobbing“, die Zahlen für dieses Jahr sind auch 4 Tage nach Meldeschluß noch unveröffentlicht. Unter ihnen sind immer wieder viele, die erst ein paar Wochen vorher den lieben KollegInnen zuliebe die ersten Laufschritte unternommen haben, um am Gruppenerlebnis „5,6 km zu Fuß durch die Frankfurter City mit anschließender Firmenfeier“ teilzunehmen. Erstmalig und vielleicht auch einmalig in diesem Jahr gibt es für einige von ihnen ein Einsteigerseminar, das die veranstaltende JP Morgan Bank in Zusammenarbeit mit dem Städel und dem früheren Europameister über 400 m Hürden, Dr. Harald Schmid, veranstaltet. An zwei Wochenenden lernen insgesamt ca. 50 Teilnehmer in 2 Gruppen erste Laufschritte, Dehnungs- und Entspannungsübungen - und einiges über ein paar Bilder von Frankfurt, die im Städel ausgestellt sind.

 

Heute begann das erste Seminar und los ging’s um 16 h. Die meisten TeilnehmerInnen wurden über ihre Arbeitgeber angemeldet und kamen überwiegend von verschiedenen Banken und der Großindustrie. Und am Anfang stand das Bild, denn das Aufwärmtraining bestand aus einer einstündigen Führung zu 7 Bildern, die von zwei Museumspädagoginnen des Städel, Frau Kujer und Frau Rödel, kompetent und vor allem kurzweilig vorgestellt wurden, Harald Schmid mischte sich immer mal mit ein, um einige Hinweise zu geben, die später beim Lauftraining noch gebraucht würden. Die Gruppe hatte vor Betreten des Museums eh zwei Aufgaben mit auf den Weg bekommen: die Farben des Regenbogens in den vorgestellten Bildern erkennen und merken – und über einen Platz nachdenken, an dem man sich zuhause fühlt.

 

Alles fing (natürlich?!) mit Tischbeins Darstellung „Goethe in Italien“ an. Die meisten Leser dürften dieses Bild kennen, wie „de Wolfgang“ da so hingegossen zwischen antiken Trümmern ruht. Aber wem ist schon aufgefallen, daß seine beiden Beine ungleich lang sind und daß Tischbein ihm vor allem 2 linke Füße angedichtet hat? Der Ausspruch „Lieber laufen als faulen“ wird Goethe zugeschrieben. Hätte er wirklich eine solche Figur gehabt, keinen Schritt hätte er laufen können (Tischbein wollte seinem alten Freund nach einem Streit einen auswischen). Das zweite Bild stammt von Gustave Coubert, der 1858 den Frankfurter Dom und die Alte Brücke malte, gefolgt von 2 Bildern des Holzhausenschlößchens mitten in einem riesigen Park, der heute zu einer nur sehr kleinen Laufrunde zusammengeschrumpft ist. Bilder 5 und 6 waren von Max Beckmann, der das Mainufer als „Eisgang“ darstellte (ein so leeres Mainufer würde sich mancher Läufer heute wünschen) und im Exil in Amsterdam aus der Erinnerung den Frankfurter Hauptbahnhof malte. Bevor wir wieder in die Sonne entlassen wurden, guckten wir uns noch den Westhafen aus der Hand des Impressionisten Ernst Ludwig Kirchner an. Mit seinen Kränen sah er damals fast so trostlos aus wie heute mit den Hochhausbaustellen – ein Läuferparadies ist etwas anderes.

 

Und dann ging’s an die körperliche Ertüchtigung. Ziel des heutigen Tages war: bewegen, ohne zu schwitzen. Die Anfänger sollten ja nicht gleich den Spaß an der Freude verlieren. In der 4. Einheit am Sonntag sollen sie so weit sein, ¼ Stunde am Stück laufen zu können, ohne zu schnaufen.

 

Wie es sich gehört, wurde erst ein bißchen Gymnastik zur Lockerung und Dehnung von Armen, Schultern und Beinen gemacht. Harald Schmid hatte dazu im Park des Liebig-Hauses zwei prominente Mitstreiter: Athena und Marsyas. So richtig bewegt haben sich die beiden Statuen dann aber doch nicht. Die Laufübungen waren so einfach wie effektiv und wurden vor allem kreativ mit dem vorher Bestaunten verbunden. Zuerst wurden die 21 TeilnehmerInnen in 3er-Grüppchen losgeschickt, eine kleine Runde bis zur um die Ecke sitzenden Athena zu laufen und dabei 3 Gemeinsamkeiten zu entdecken, die anschließend abgefragt wurden – witzigste Antwort aus meiner Sicht: wir haben alle Vornamen. Dann wurden sowohl Gruppen als auch Runde vergrößert und immer 5 Leutchen sollten gemeinsam laufen und sich dabei sowohl an 3 Kleidungsstücke Goethes in Italien als auch an die Vornamen der übrigen Mitläufer erinnern. In der dritten Übung wurde dann schon der ganze Park umrundet und die 5 Zusammengehörenden hatten die Aufgabe, sich an eins der beiden Holzhausenschloß-Bilder zu erinnern und gemeinsam Pläne zu schmieden, was sie gerne im dazugehörigen Park unternehmen wollten. Komischerweise hatte keine Antwort etwas mit laufen zu tun, eigentlich wollten mehr oder weniger alle nur picknicken und Wein trinken. Anschließend sollte sich in laufenden 7er-Gruppen auf das schönste gesehene Bild geeinigt werden und dann blieb nur noch Zeit für eine Übung: Bitte diskutiert das Bild des Westhafens und stellt Euch dabei drei Dinge vor, die Ihr schon immer mal machen wolltet. Und wieder war „laufen“ keine zu hörende Antwort.

 

Die letzten 10 min gehörten Entspannungsübungen, in denen Harald Schmid anhand der Regenbogenfarben die Teilnehmer die Bilder Revue passieren ließ – und das anfangs angesprochenen „Hier bin ich zuhause“-Fleckchen sollten sie sich auch ins Gedächtnis rufen.

 

Stellt sich noch die Frage nach der Zusammensetzung der Teilnehmer: viele von ihnen waren doch schon mal gelaufen, einigen sah man das direkt am Schuhwerk an. Und so war auch die Erwartung unterschiedlich. Jörg Bergamos und Jens Hohnwald von der SEB Bank z.B. sind schon Freizeitläufer, die übers Intranet von diesem Seminar erfahren haben und sich Laufanleitungen zum besseren Lauf erhoffen. Andere wollen wirklich einfach Tips bekommen, wie sie es schaffen, in 4 Wochen 5,6 km am Stück laufend durchzuhalten, was ja auch der eigentliche Sinn dieser Veranstaltung ist.

 

Die Stimmung unter den TeilnehmerInnen war von Anfang an locker und entspannt, was sicher nicht zuletzt an der guten Laune lag, die Harald Schmid verbreitete. Ich bin sicher, bis Sonntag werden die Leutchen noch viel Spaß miteinander haben.

 

Die Idee, laufen und Kunst zu verbinden, ist mal ein neuer Ansatz, der mir persönlich sehr gut gefallen hat. Sie kam Harald Schmid und Susanne Kujer anläßlich eines „Hürdenlaufs“ den Schmid und das Städel schon ein paar Mal zusammen veranstaltet haben.

 

Laufreport wird versuchen, zu einigen vor und nach dem Chaselauf im Juni Kontakt aufzunehmen, um etwas über die Trainingsfortschritte und den Lauferfolg am Tag X zu erfahren.

für laufreport am 16. Mai 2003