Ein Hauch von Oberhof

Am Rennsteig beherrschte in der letzten Woche das Ehepaar Poiree die Biathlon-WM und in Mörfelden übernahmen beim 27. Halbmarathon Tanja & Jürgen Zehnder diese Rolle.

 

Es ist eigentlich egal, welche Laufzeitschrift man dieser Tage in die Hand nimmt. Das fast beherrschende Thema ist eindeutig „Halbmarathon“. Die einen beschreiben den neuen Run auf die 21,1 km-Strecke, die anderen veröffentlichen Halbmarathontrainingspläne und so manches Magazin hat sich auf beides eingeschossen.

 

Nun kann man darüber philosophieren, ob sich das einfach auch im Rhein-Main-Gebiet rumgesprochen hat, ob die Läufer hier in der Boom-Statistik erfaßt sind oder ob sich viele vom Statement „Halbmarathon boomt“ animieren ließen, sich heute in Mörfelden anzumelden. Jedenfalls wurden die Veranstalter von der LG Mörfelden-Walldorf im 27. Jahr ihres Halbmarathons förmlich überrannt. Schon eine Stunde vorm Start hieß es im Wettkampfbüro „Heute nachmittag dauert’s mit der Ergebnisliste sicher ein bißchen länger, wir erwarten ca. 600 Leute“. 562 waren’s am Ende tatsächlich, die das Ziel erreichten – und damit satte 167 (oder 42,28%) mehr als im Vorjahr.

 

Dabei hat das Niveau nicht gelitten – eher im Gegenteil. 2003 blieben 23 Läufer unter 1:25 h, dieses Jahr waren es 32. Die Siegerzeit bei den Frauen ist dieses Jahr 3 min schneller als im Vorjahr. Bei den Männern lag diese 2003 zwar mit 1:10 h für die diesjährigen Starter unerreichbar, dafür waren aber die ersten 4 in diesem Jahr schneller als der Vorjahreszweite.

 

Der Startschuß fiel trotz des Andrangs pünktlich um 9.30 h. Auch wenn die Strecke an sich gut und gerne noch mehr als 600 Läufer vertragen würde – auf den ersten 500 Metern war der Lauf wirklich an seinem Limit angekommen. Das Feld lief die ersten 100 m im Stadion auf der Tartanbahn, um dann durch ein Tor in die freie Natur entlassen zu werden. Und hier ging erstmal fast nichts. Im hinteren Bereich kam die Läuferschar fast zum Stehen, bis das Nadelöhr im wahrsten Sinne des Wortes durchschritten war.

 

Fleißige Mörfeldenstarter kennen die Strecke im Schlaf, immerhin kann man hier im Winter jeden Sonntag anläßlich der Winterlaufserie Kilometer sammeln und auch der Staffelwettbewerb im Januar nutzt dieselbe Runde. Zu laufen sind viele Geraden, von denen manche schier endlos zu sein scheinen. Hin und wieder gibt’s mal eine Rechts- oder Linkskurve und dahinter verbirgt sich dann die nächste Gerade. Kurz hinter km 5 knickt man 90° nach rechts ab auf ein Wendepunktstück, dessen Ende logischerweise an derselben Kreuzung bei km 6,5 erreicht ist. Im Grunde genommen ist die Strecke flach und sehr schön zu laufen, zwischen km 8 und 9 kommt ein klitzekleiner Buckel, der Taunusläufern höchstens ein Lächeln auf die Lippen zaubert, wenn man aber als Flachläufer eh am Limit läuft, ist der schon ein bißchen fies. Zurück geht’s Richtung Stadion, eine Runde um die Tartanbahn, Tee und Wasser fassen – und wieder raus auf dieselbe Strecke. Bis auf die insgesamt 800 m Tartanbahn und etwa 50 m tiefen Kieswegs (4x zu durchlaufen, also insgesamt noch mal 200 m) direkt hinterm Stadion besteht die Strecke ausschließlich aus Waldboden, der sehr gut laufbar ist.

 

Zur Streckenführung, die guten Zeiten entgegenkommt, kam heute noch das wirklich laufgerechte Wetter. Es war morgens beim Start noch recht frisch, wurde im Laufe des Vormittags deutlich milder und die Luft war leicht diesig-feucht. Optimale Verhältnisse also, die auch viele für gute bis sehr gute (persönliche) Zeiten nutzten, wie aus den Gesprächen nach dem Zieleinlauf, in der Umkleidekabine und anläßlich der Aprés-Lauf-Party zu hören war.

 

Zudem wurde das Geschehen noch, wie üblich anläßlich des Halbmarathons, von Vanman Jochen Heringhaus gewohnt gutgelaunt moderiert, die Helferinnen im Ziel verteilten aufmerksam und äußerst freundlich Unmengen heißen Tees – Läuferherz, was willst Du mehr? Hm.. vielleicht eine Kuchentheke, die auch den langsameren Läufern noch die Chance gibt, ein Stück zu ergattern?

 

Auf der Strecke war’s vor allem bei den Männern äußerst spannend. Gleich vom Start weg setzte sich Audace Gasagara vom Feld ab. Der aus Ruanda stammende M20er studiert Sport in Mainz und startet für den Mombacher TV. Zum ersten Mal war er im Rhein-Main-Gebiet bei der Lindenseelaufserie in Rüsselsheim aufgetaucht und dort gleich gezeigt, daß zukünftig mit ihm zu rechnen ist. Bei km 2 hatte er schon 60-70 m Vorsprung, aber bis zum Wendepunkt waren seine Verfolger Jürgen Zehnder (TSV Pfungstadt), Haimo Kiefer (Spiridon Frankfurt), Mario Müller (TSV Mainz-Ebersheim) und Bernd Ulrich (TSG Eisenberg) schon wieder zu ihm aufgelaufen. Die 5er-Gruppe blieb bis km 11 zusammen, dann unternahm Haimo Kiefer einen Ausreißversuch. Er wurde bereits einen km weiter von Zehnder und Gasagara wieder eingesammelt, die anderen beiden mußten abreißen lassen.

 

Das Führungstrio blieb dann bis zum Ziel zusammen. Im Endspurt entschied Gasagara das Rennen in 1:14:33 min für sich, Jürgen Zehnder folgte nur 2 sec. später und weitere fast schon läppische 3 sec. später war auch Haimo Kiefer fertig. Platz 4 erlief sich Mario Müller – mit 1:15:28 min war er über eine Minute schneller als 2003, als er als Dritter ins Ziel kam.

 

Eindeutiger war das Rennen bei den Frauen. Tanja Zehnder lief von Anfang an vorne, auf den letzten 5 km hatte sie noch motivierende Unterstützung von Thomas Zöller und Bernd Michel, die sie quasi ins Ziel zogen. Mit ihren 1:29:36 h ist sie sehr zufrieden, sie entsprechen ihm Leistungsstand zu Beginn des Jahres, auch wenn ihre persönliche Bestzeit, gelaufen 2003 beim Frankfurter City-Halbmarathon, 2 min darunter liegt.

 

Auf Platz 2 lief Erika Chaari unterm Zielbanner durch. Die W40erin aus Gau-Odernheim startet neuerdings auf den kurzen Distanzen für den TV Hechtsheim. Bei ihr macht sich derzeit das Tempotraining, das sie manchmal 2x pro Woche absolviert bemerkbar, mit 1:31:24 h hat sie ihre alte Bestmarke um 2 min unterboten.

 

Knapp eine Minute später kam Claudia Dienemann vom WSC Bad Camberg als 109. im Gesamteinlauf, 3. Frau und Siegerin der W35 ins Ziel.

 

Einen Trainingsmarathon absolvierte heute Uli Amborn von der LG Offenbach. Erst lief er sich eine Runde ein, dann die zwei Runden mit dem Feld und zum Schluß noch mal eine Runde aus. Seine reine Laufzeit betrug dabei 2:52 h. Uli trainiert für die 100 km-DM Ende März in Kienbaum. Dort will er nach Möglichkeit unter 7:10 h bleiben, um sich für das deutsche 100 km-Nationalteam für die EM Ende Mai in Florenz zu empfehlen. Entgegen sonst fast schon üblichen Gepflogenheiten wird in Florenz nur eine große Runde gelaufen, die aber mit ca. 800 Höhenmetern sicher nicht ganz einfach ist. Dafür wird man in Kienbaum aufpassen müssen, keinen Drehwurm zu bekommen, denn dieser 100er wird auf einer 5 km-Runde ausgetragen.

 

Der Letzte kam nach exakt 2:36 h ins Ziel – und fast zeitgleich begann drinnen auch schon die Siegerehrung. Sehr stark besetzt war übrigens die M70. Der Altersklassensieger, Alfred Ditzinger von der TSG Fechenheim braucht nur 1:46:05 h und war als 293 nur ganz knapp in die zweite Teilnehmerhälfte gerutscht. Auch der Zweite (Macijei Marczuk aus Warschau) und Dritte Georg Kiltz aus Rüsselsheim) der M70 liefen mit 2:02:01 h und 2:02:21 h noch deutlich schneller als 6 min/km. Kurz nach ihnen kam Helga Schumacher von Spiridon Frankfurt als Siegerin der W65 in 2:02:49 h ins Ziel.

 

für laufreport im Februar 2004