Oh la la.. PARIS

I’m running in the rain, just running in the rain – what a glorious feeling, I’m happy again!

Das war’s also: 25. Marathon de Paris am 08. April 2001 – und ich war dabei! Und wie! Aber wie? Das könnt Ihr hier lesen:

Wir kamen am Donnerstag bei Regen in Paris an – und als wir am Freitagnachmittag zum Abholen der Startnummern zur Messe fuhren, regnete es wieder – kein gutes Omen, wie sich im Laufe des Wochenendes noch rausstellen sollte. Die Marathonmesse war enttäuschend, da es sich um eine „echte“ Messe handelt, auf der die Hersteller ausstellen, nur wenig verkaufen – und schon gar nicht runtergesetzt. „Fliegende Händler“, wie wir das hier kennen, gibt es dort gar nicht – andere Länder, andere Sitten.

Die Startnummernausgabe war perfekt organisiert – in nicht mal 5 Minuten hatten wir Startnummer, Chip, Marathonmitbringseltüte, T-Shirt und die Flasche Vittel in Händen. Sicher war es samstags etwas voller, aber bei der Menge an Platz und Ausgabeschaltern kann es auch da nicht allzu lange gedauert haben, bis man bestens versorgt war. Mit in der Tüte ein informativer „Guide du Marathonien 2001“, der in französisch und englisch über den Paris-Marathon und das Drumherum aufklärte. In Paris gibt es z.B. Pacemaker für 6 verschiedene Endzeiten zwischen 3 Std. und 4:30 Std., die mit verschiedenfarbigen Ballons auf dem Rücken starten. Mit im Heft auch „10 Tips für Marathonis“ (prepare yourself); u.a. wurde geraten, auch Toilettenpapier mitzunehmen, man sei unter Umständen froh darum. Beim Lesen habe ich am Freitag noch gelächelt.. An die Supporter denken die Paris-Organisatoren auch: es gibt einen eigenen Stadtplan für Supporter, in dem außer der Strecke und den Straßenfesten (mit Metro-Verbindungen) auch die jeweiligen ca.-Ankunftszeiten bei den Festen für verschiedene Endgeschwindigkeiten aufgeführt sind. Außerdem wurden auf der Messe auch Anfeuerungsschilder zum Selbstbeschriften verteilt – eigentlich schade, daß ich diesmal nicht supportet habe...  

Unsere nächste Begegnung mit dem „Unternehmen Marathon“ hatten wir samstags, als wir (wieder im strömenden Regen) zur Pasta-Party fuhren. Ein Kollege, der seit Jahren nach Paris fährt, hatte mich gewarnt, die Schlangen wären unerträglich lang. Als wir gegen 18 h zur Party kamen, konnten wir direkt rein und an die Futtertröge. Die Hauptsponsoren des Marathons waren (neben adidas) Chiquita, Vittel und eine frz. Nudelfirma – beste Voraussetzungen für eine gelungene Nudelparty. Als wir gegen 19 h die Party gut gesättigt verließen (man konnte sich bis zum Abwinken nachholen), sahen wir, was der Kollege gemeint hatte: draußen vor der Halle warteten im Regen Hunderte von Pastafutterwilligen darauf, stoßweise reingelassen zu werden. Das hätte ich mir mit Sicherheit nicht angetan! 

Sonntag war dann „der Tag X“. Klar, daß ich (ziemlich) nervös war – schließlich wollte ich meinen 2. Marathon laufen. Im Hotel hatte man freundlicherweise schon ab 6 h (statt eigentlich 7 h) für uns und einige weitere dort übernachtende Laufverrückte Frühstück bereitgestellt und so konnten wir kurz nach 7 h das Hotel Richtung „Etoile“ verlassen. Am Arc de Triomphe angekommen, gingen wir gleich Richtung Zielbereich. Dank des Berichtes von Lauftreff-Helge wußte ich, daß die Klamottenaufbewahrungszelte im Zielbereich standen, nicht am Start. Da Start und Ziel aber nicht mal einen km auseinander liegen, ist das absolut kein Problem. Auch an den Kleiderbeutelzelten: perfekte Organisation! Es dauerte keine Minute, da waren unsere Beutel mit Nummernschildern versehen und ordentlich verstaut. 

Dixis (so „richtige“, keine „à la francais“) gab es hier auch reichlich und so stellte ich mich zur Beruhigung meines nervösen Magen-Darm-Traktes an eine Schlange an, während Achim sich  die Zeit mit Dehnungsübungen vertrieb. Es kam, was kommen mußte: Murphys Law! Bis ich an der Reihe war, gab’s in „meinem“ Plastikhäuschen kein Toilettenpapier mehr und so mußte mein einziges Papiertaschentuch einen anderen als seinen vorgegebenen Weg gehen.. (ich habe mir kurz darauf ein neues bei einer Zuschauerin „erbettelt“). 

Leider hatte es schon wieder angefangen zu regnen und so suchten wir, auf der Champs Elyssée angekommen, Unterschlupf vor Kälte und Nässe in einem tiefen Kinoeingang – und mit uns auch einige andere Marathonis. Nachdem wir gegen 8.40 h unserer Blase noch die letzten Nervositätströpfchen entlockt hatten (statt Dixis nahmen wir, wie viele andere mit uns, mit dem gesperrten Autotunnel vorlieb), suchten wir uns ein Plätzchen im dichten Läuferfeld ein gutes Stück hinter der Markierung „4.30 h“ – ich kann aber jedem nur raten, sich dort früher als wir einzureihen – zwanzig Minuten vorm Start ist es dort schon so voll, daß man sich nur noch an den Rand quetschen kann. Zumindest kann da niemand mehr umfallen – und frieren ist auch nicht mehr drin. Wir hatten noch einen netten Smalltalk mit zwei Läufern aus Lörrach und dem Elsaß und dann zählte die Menge auch schon rückwärts von 10 auf 0 – und bei uns ging nichts los!

Alles in allem brauchten wir knapp 8 Minuten, um bis zur Ziellinie vorzudringen – incl. diverser Kletterpartien über Berge von einfach fallen gelassenen Klamotten, Trinkflaschen und Plastikumhängen. Und dann lief’s.. die Champs Elyssée runter Richtung Place de la Concorde, durch das Marais-Viertel hin zur Bastille, von dort in den Park „Bois de Vincennes“, zurück zur Bastille, an der Seine entlang in den Bois de Boulogne und von dort auf die Avenue Foch zum Ziel. Was sich hier so kurz liest, waren 42,195 lange Kilometer bei Wind und Wetter – etwa die Hälfte der Strecke regnete es, teils mit heftigem Gegenwind, der mir das kalte Wasser unter den Schirm der am Vortag noch schnell erstandenen Kappe direkt ins Gesicht und auf die Brille blies. Der GAU war also eingetreten – und hin und wieder erkannte man deutsche MitläuferInnen einfach am gemurmelten oder laut geschimpften „Scheißwetter“. Die beiden Jungs von kurz vor 9 h überholten uns ca. beim Halbmarathon mit einem lauten „hallo, da sind ja die Frankfurter wieder“, mit anderen Leuten um uns rum tauschten wir zumindest hin und wieder mal die Nationalität und den Herkunftsort aus, bevor sich jeder wieder sich selbst und seinen Beinen widmete.  

Das Pariser Publikum zeichnet sich leider durch fast perfekte Ignoranz aus. Will heißen: da laufen knapp 30.000 Leutchen durch eine Millionenstadt und die Einwohner kümmert das gar nicht. Mag sein, daß es auch am Wetter gelegen hat, aber wir gewannen den Eindruck, daß das spärliche Publikum längs der Strecke zu 99% aus persönlichen Fans der Marathonis bestand. Die Einwohner nahmen uns nur zur Kenntnis, wenn sie, mit ihren Baguettes bewaffnet, nicht über die Straße kamen, weil die von lauter Verrückten verstopft war, die sie am rechtzeitigen Erreichen des Frühstückstischs hinderten. Streckenweise erinnerte mich die ganze Szenerie etwas an alte Western mit leergefegten Straßen, über die die Strohballen fliegen.. nur daß die Strohballen Menschen in Laufausstattung waren. Sogar die Amateurbands, die sich offenbar teilweise ungeplant an der Strecke eingefunden hatten, um uns musikalisch auf Trab zu bringen und/oder zu halten, standen hin und wieder alleine auf weiter Flur. Die von den Veranstaltern angepriesenen „grandes fetes“ verkümmerten leider (auch für die Akteure) zu kleinen Aufmunterungen für uns ohne größere Publikumsbeteiligung. 

Ab km 25 ging es an der Seine entlang – schade, daß man den rechts gelegenen Louvre und andere Sehenswürdigkeiten nicht sehen konnte – wir liefen unten direkt am Ufer entlang und die Quaimauer ist so hoch, daß sie die Sicht versperrt. Zwischen km 26 und 28 verlief die Strecke dann sogar durch einen ca. 1,5 km langen Tunnel – ich war heilfroh, wieder an die Luft zu kommen, diese Tunnelrennerei hat mir zu der Zeit echt den Rest gegeben. Die Verpflegungsstellen alle 5 km waren, wie fast alles, was mit der Organisation zu tun hatte, perfekt: Orangen, Bananen, Zitronen, Rosinen, Würfelzucker, Vittel in 0,33 l-Fläschchen mit Verschluß (SEHR praktisch zum Mitnehmen!!!) und ab km 20 einen Energydrink (ich habe ihn nicht probiert, lt. Achim war er sehr süß) und das alles in rauhen Mengen auf ewig langen Tischen, hinter denen Massen von fleißigen HelferInnen wuselten – besser hätte es kaum sein können. Nur die Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung vieler LäuferInnen behinderte ein bißchen: die Bananen gab’s stückweise in ihrer praktischen natürlichen Verpackung und die anderen Früchte hatten natürlich auch Schale – und die meisten ließen diese einfach unter sich fallen (wie auch die Plastikflaschen), statt sie einfach ein Stück an den Straßenrand zu werfen – und so war es teilweise im Bereich der Verpflegungsstellen glatt wie Schmierseife. Das Publikum fehlte dann auch, als wir aus dem Bois de Boulogne wieder in die bewohnte Zivilisation gelangten – die Zuschauerreihen fingen erst knapp 300 m vor dem Ziel an und damit fehlte auch das berühmt-berüchtigte „Durchpeitschen“, das mich letztes Jahr in Hamburg so angestachelt hat. Natürlich war ich trotzdem glücklich und zufrieden, endlich die Ziellinie erreicht zu haben – nachdem ich mir über ganze Streckenteile doch schon die Sinnfrage gestellt habe und Achims pure Anwesenheit mich von der einen oder anderen Gehpause abgehalten hat, wo andere schon längst nur noch gingen.  

Im Zielbereich gab’s erstmal die m.E. wunderschönen Medaillen (im Plastikbeutelchen, nicht um den Hals gehängt) und Isolierfolien, bevor wir an den Chipabknipsern vorbei den Gang zur letzten Verpflegungsstelle antraten. An der dahinter liegenden Kleiderbeutelausgabe ging’s total zügig, damit wir schnell die nassen gegen trockene Sachen tauschen konnten – das allerdings irgendwo zwischen parkenden Autos oder auf feuchten Wiesen – die bereitstehenden Zelte waren geschlossene Gesellschaften und nur VIPs vorbehalten.  

Übrigens kann man sich Namen und Startnummer oder die handgestoppte Endzeit auf seine Medaille gravieren lassen – kostet 20 Francs, die man sich einstecken sollte (keine Ahnung, wie viele Euros das 2002 sein werden) und dauert vielleicht zwei Minuten.  

Bleibt eigentlich nur noch anzumerken, daß während unserer Rückfahrt ins Hotel letztendlich tatsächlich die Sonne schien – eigentlich ist es ja ganz gut, daß der Mensch DARAUF noch keinen Einfluß hat!

Ein bißchen persönliche Statistik noch hinterher (aber im Grunde genommen ist DIE ziemlich unwichtig): gestartet mit Nr. 18045, angekommen als Nr. 18.984 in 4:37:01 h, 3.259 Finisher habe ich hinter mir gelassen, mit den Abbrechern sogar insgesamt (nimmt man die TN-Zahlen der Urkunde) 7.491.  

Wie heißt es so schön? Paris ist eine Reise wert? ABER SICHER!

   

   
Achims Bericht