Good times |
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Winterlaufserien
werden in der Regel dazu genutzt, um über die kalte Jahreszeit nicht zu
viel Rost anzusetzen, ein wenig Wettkampfluft zu schnuppern und
gelegentlich den aktuellen Leistungsstand zu überprüfen. Oft sind die
Distanzen dabei krumm oder die Strecken zumindest nicht exakt vermessen
und der Laufuntergrund ziemlich uneben. Die eigentliche Saison mit der
Hatz nach Bestzeiten und Plazierungen soll laut der reinen Lehre der
Trainingsmethodik schließlich erst wieder im Frühjahr beginnen. Doch
keine Regel ohne Ausnahmen. Es gibt durchaus auch Serien, die mit
vermessenen, flachen Strecken zwischen November und März eine Möglichkeit
bieten, die eigenen Hausrekorde anzugreifen - die große Chance für
allergiegeplagte oder nicht besonders hitzefeste Läuferinnen und Läufer,
von denen einige dann auch echte Winter-Spezialisten sind. In
Südhessen hat die Jügesheimer Laufserie diesen Part übernommen. Und in
der Pfalz kommt man auf der Suche nach schnellen Zeiten im Winterhalbjahr
an Rheinzabern kaum vorbei. Ein
Ort der Geschichte: Rheinzabern, das römische Tabernae, ist mit seiner
fast 2000jährigen Geschichte einer der ältesten Orte der Pfalz. Die
Siedlung lag an der ehemals bedeutenden Verkehrsstraße Basel-Mainz und
war durch seine reichen Tonvorkommen Standort zahlreicher Militärziegeleien
sowie größte Produktionsstätte für römisches Tafelgeschirr nördlich
der Alpen, das so genannte Terra Sigillata. Dieser
Text kommt ausnahmsweise mal nicht aus dem Internet, sondern ist genau so
auf den Urkunden aufgedruckt, die jeder der drei Altersklassen-Ersten
automatisch bekommt, sich aber sonst auch noch jeder Teilnehmer direkt vor
Ort ausdrucken lassen kann. Ein Service, den man selten vorfindet. Genauso
selten, wenn nicht gar einmalig, ist die äußerst umweltfreundliche Sache
mit den Bechern für den warmen Zieltee: „Zum Startgeld von 4 € kommt
noch 1 € Becherpfand“ erklärt mir die freundliche Helferin morgens an
der Startnummernausgabe. Becherpfand? Nanu?! In Rheinzabern bekommt jeder
Zieleinläufer einen knallroten Plastikbecher in die Hand gedrückt, um
sich ein paar Schritte weiter den wohlverdienten Tee abzuholen. Und wer
dann gewärmt und gestärkt ist, gibt den Becher in der Halle wieder ab
und bekommt seinen Euro zurück. Dieses System sollte Schule machen,
funktioniert es doch, wie gestern bewiesen, auch bei 1.400 LäuferInnen
reibungslos. Die
Strecke ist 100% asphaltiert und führt von Rheinzabern entlang der
Landstraße auf dem Radweg nach Hatzenbühl, von dort aus zurück nach
Rheinzabern. Bei km 7 hört man VanMan Jochen Heringhaus schon am Ziel,
ungefähr 500 m später kann man ihn bzw. sein Auto auch nur ein paar
Meter linker Hand sehen – und wird dann erst mal noch mit Gegenverkehr
nach Jockgrim geschickt, wo rot-weiße Baustellenhütchen kurz vor dem
gelben Schild mit der 9 den Wendepunkt markieren. Wer
allerdings „brettflach“ oder „topfeben“ erwartet, wird in
Rheinzabern enttäuscht. Zwei Unterführungen, die je 2x zu absolvieren
sind, sowie die Strecke raus nach Jockgrim sorgen für kleine Steigungen,
die aber besonders auf dem Rückweg zum Ziel die letzte Kraft kosten, läuft
man am Limit. Aber keine Angst, wirkliche „Berge“ sind auch in
Rheinzabern nicht zu erwarten. Vergleicht man die Strecke dort mit der in
Jügesheim, kommt am Ende vermutlich dieselbe Zeit raus, weil Jügesheim
zwar flacher, aber im Winter nasser Waldboden schwerer zu laufen ist. Im
Gegensatz zu Südhessen gibt’s in der Pfalz „nur“ drei Läufe, die
aber zusammenaddiert 45 km ergeben. 10 km absolviert man im Dezember, 15
im Januar und 20 Anfang Februar. Und es wird behauptet, daß die Addition
der 3 Laufzeiten den aktuellen Marathonleistungsstand verrät. Der
Auftakt der Serie 2004/2005 war von gutem Winterlaufwetter begünstigt.
Zwar war es morgens knackig kalt, aber nicht feucht und so purzelten die
Bestzeiten reihenweise. Der
Sieger der Männerwertung verfehlte die seine um genau 3 Sekunden –
allerdings ist die auf der Bahn gelaufen, nicht auf der Straße. Jukka
Kero heißt der schnellste Mann, wohnt in Schriesheim und arbeitet in der
medizinischen Forschung an der Uni Heidelberg. Er ist Finne – und hatte
am Wochenende Besuch von seinem zwei Jahre älteren Bruder, den er mitnahm
in die Pfalz. Jaako Kero ist normalerweise schneller als Jukka, konnte
aber diesmal am Ende nicht mehr ganz mithalten und bliebe mit 31:30 min 3
sec. hinter dem Bruder. In Finnland läuft er für Turun Urheihuhlltto,
dem Verein von Lauflegende Paavo Nurmi. Er läuft lieber Marathon als die
Kurzdistanzen, seine Bestzeit hat er 2001 in Frankfurt aufgestellt, damals
lief er 2:19 h. Hinter
den beiden kam als Dritter ein in der Pfalz alter Bekannter als letzter
unter 32 min ins Ziel: der für die SG Walldorf Astoria startende Dirk
Debertin brauchte 31:53 min. Als
97. kam eine über neue persönliche Bestzeit strahlende Julia Alter als
Frauensiegerin beim Zeitnahmeteam Baumann an. Zum ersten Mal lief sie
unter 37 min und das dann gleich deutlich: bei 36:46 min blieb die Uhr für
sie stehen. Da schmeckten die selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen der
gelernten Konditorin doch gleich noch mal besser! Dabei
wurde es am Ende noch mal ganz knapp für die Bergmarathonspezialistin aus
Mannheim. Am Wendepunkt hatte sie Tanja Schmidt (LC Saucony Saar) noch ein
Stück hinter sich gesehen, dann lief diese direkt hinter ihr und mit nur
einer Sekunde Rückstand unterm Zielbanner durch. Als
Dritte kam Marion Jakobs (SV Saar 05 Saarbrücken) auf Gesamtrang 114
wieder an der Römerbadschule in Rheinzabern an. Über
1.400 waren gestartet, 1.334 LäuferInnen stehen letztlich auf der
Ergebnisliste. Auf Rang 1332 begrüßte Jochen Heringhaus Albert Olbrechts
vom Ettlinger Lauftreff – er wird im kommenden Jahr 90 Jahre alt und
schafft die 10 km noch immer in 1:20 h. Der
15 km-Lauf findet am 09. Januar 2005 statt – und ist die dann 100.
Laufveranstaltung des TV 1890 Rheinzabern. Ergebnisse:
www.laufinfo.de für
laufreport im
Dezember 2004
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