Winter ist nicht gleich Winter

 

Laufen im Winter – das heißt eigentlich von der Trainingslehre her: Aufbau für die kommende Saison, nicht allzu sehr verausgaben. Die vielen angebotenen Winterlaufserien bieten dazu reichlich Gelegenheit. Viele von ihnen weisen krumme Streckenlängen aus und/oder unebenes Geläuf, exakte Vermessung ist eher eine Seltenheit. Wie überall im Leben, so bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.

 

Eine davon ist die Winterlaufserie in Rheinzabern. Das Dorf nahe Speyer, gelegen zwischen Bienwald und Rheinaue, ist eine der ältesten Gemeinden der Pfalz – und auch die Winterlaufserie erfreut sich schon seit vielen vielen Jahre wachsender Beliebtheit, wurde im Winter 2004/2005 bereits zum 23. Mal ausgetragen. Zusammen mit dem zu Ostern stattfindenden Halbmarathon war der Abschluß der Serie am 06. Februar 2005 die 101. Veranstaltung, die der TV 1890 Rheinzabern auf die Beine stellte.

 

1.334 – 1.258 – 1.081: das sind die Zahlen der LäuferInnen, die die drei Teile der Serie beendet haben. Zwar bringt die Pfalz selbst sehr viele Laufwillige auf die Beine, aber so viele, wie in Rheinzabern laufen, sind’s dann doch nicht. Diejenigen, die die flache und amtlich vermessene Strecke zur Standortbestimmung nutzen, reisen fast aus der gesamten Republik an, vor allem aus dem süddeutschen Raum findet man viele Vereinsnamen in der Ergebnisliste: EK Schwaikheim, LT Endingen, LAV Asics Tübingen u.v.m.

 

Die Winterlaufserie in Rheinzabern zeichnet sich auch durch ihre unterschiedlichen Streckenlängen aus: am dritten Sonntag in Dezember werden 10 km gelaufen, am zweiten Sonntag im Januar 15 km und am ersten Sonntag im Februar 20 km. Ausgemessen ist eine 10 km-Schleife durch Rheinzabern, Hatzenbühl und Jockgrim, die im Februar 2x gelaufen wird und im Januar eben 1,5 x. Läufer aus der norddeutschen Tiefebene würden sie wahrscheinlich nicht unbedingt als topfeben und brettflach bezeichnen, da es schon ganz leichte Steigungen (im Läuferjargon auch gerne mal „negative Gefälle“ genannt) zwischen den Orten und durch einige Unterführungen gibt. Aber „what comes up, must come down“ und so sind die „Gegensteigungen“ richtig tempoverschärfend. So manche/r freut sich hier über eine neue persönliche Bestzeit – und das im Winter.

 

Zudem erzählt man sich, daß die Addition der drei Rheinzaberner Zeiten dem momentanen Marathonleistungsstand entspricht und so kommt dieser Formtest für alle gelegen, die im Frühjahr gerne für eine neue persönliche Marathonbestzeit sorgen wollen.

 

Die Strecke selbst ist 100% asphaltiert und durch gutes Laufwetter im Winter 2004/2005 auch komplett schnee- und eisfrei. Die langen Geraden entlang der Landstraße nach Hatzenbühl (hier wird der Radweg zum Laufweg umfunktioniert) sind ein bißchen windanfällig, aber da nach einer Schleife durch Hatzenbühl dieselbe Strecke hin- wie zurück gelaufen wird, wechseln sich Rücken- und Gegenwind ab.

 

Das Schulzentrum Römerbadschule bietet die besten logistischen Möglichkeiten, die ein Veranstalter sich wünschen kann: ausreichend Parkplätze, eine große Turnhalle mit ausreichend Duschmöglichkeiten und Platz für die Startnummernausgabe und Siegerehrung, dazu ein Sportplatz mit Tartanbahn, der zum Warmlaufen genutzt wird. Der Zieleinlauf befindet sich vor dem Schulgebäude, an zwei der drei Veranstaltungstage wurde er fachmännisch begutachtet und moderiert vom allseits bekannten Jochen Heringhaus, alias VanMan mit seinem RunnersPoint Van.

 

In der praktischen Durchführung sind die Rheinzaberner um ihren Chef Werner Roth ein bestens eingespieltes Team. Startnummernausgabe, Kuchentheke, Getränke- und Brötchenverkauf: alles klappt wie am Schnürchen. Und zum Schluß der Serie bekommt das teilnahmestärkste Team sogar noch einen großen Kuchen – selbst gebacken von Elisabeth Roth, der Frau des Chefs. Die ist auch zuständig für die spezielle Teemischung, die die LäuferInnen im Ziel erwartet. Hier kommt der Tee nicht aus der Dose, hier kocht die Chefin quasi noch selbst.

 

Fast einmalig, ist die äußerst umweltfreundliche Sache mit den Bechern für den Zieltee: „Zum Startgeld von 4 € kommt noch 1 € Becherpfand“ erklärt die freundliche Helferin morgens an der Startnummernausgabe. Becherpfand? Nanu?! In Rheinzabern bekommt jeder Zieleinläufer einen dickwandigen bunten Plastikbecher in die Hand gedrückt, um sich ein paar Schritte weiter den wohlverdienten Tee abzuholen. Und wer dann gewärmt und gestärkt ist, gibt den Becher in der Halle wieder ab und bekommt seinen Euro zurück. Dieses System sollte Schule machen, funktioniert es doch, wie im Dezember bewiesen, auch bei 1.400 LäuferInnen reibungslos.

 

Wieder einmal zeigte sich bei der diesjährigen Serie, daß erst am Ende abgerechnet wird. Beim Fußball käme jetzt die alte Plattitüde „Das Spiel dauert 90 min“ zum Tragen. So sah es nach den beiden ersten Teilen so aus, als wäre Julia Alter vom TV Rheinau die haushohe Favoritin für den Seriensieg – und dann trat sie krankheitsbedingt beim letzten Teil nicht mehr an. So war der Weg frei für Tanja Hooß. Die Saarländerin vom LTF Marpingen, die auch zum deutschen 100 km-Nationalteam gehört, war als Gesamt-50. die klare Seriensiegerin 2004/2005. Nach einer für sie relativ schwachen Leistung im Dezember holte sie bei den folgenden Rennen kräftig auf und konnte mit einer Gesamtzeit von 2:51:33 h die Zweitplatzierte, Ulrike Hoeltz (LSG Karlsruhe) fast 1,5 min hinter sich lassen. Deren Vereinskameradin Valerie Knopf brauchte für die 45 km in Summe 3:03:14 h und erlief sich damit den dritten Platz in der Serienwertung. Einige Läuferinnen, die an einzelnen Tagen vor oder zwischen diesen Dreien zu finden waren, haben aus verschiedenen Gründen nicht die ganze Serie absolviert und so „nur“ Tagespreise ergattern können.

 

Auch der Sieger bei den Männern gewann nicht alle drei Rennen, sondern nur das erste. Der für die TSG Schriesheim startende und an der Uni Heidelberg arbeitende Finne Jukka Kero siegte im Dezember über 10 km, wurde im Januar über 15 km und im Februar über 20 km jeweils Zweiter. Mit einer Gesamtzeit von 2:25:02 h lag er 1 min und 45 sec vor dem USC Mainzer Andreas Sarter.

 

Patrick Klein vom TV Rheinau vervollständigte das Treppchentrio. Wie für viele andere auch, war für ihn der Serienabschluß erster Jahreshöhepunkt. Wettkampftechnisch darauf vorbereitet hatte er sich u.a. durch Crossläufe – die bringen ja bekanntlich, von den meisten Läufern  unterschätzt, Kraft in die Beine.

 

Um deutlich zu machen, wie schnell die Strecke ist, hier mal ein paar Zahlen für den 10 km-Lauf: hier liefen 40 Läufer unter 35 min, insgesamt 254 LäuferInnen unter 40 min – eine solche Ergebnisliste muß man heutzutage lange suchen.

 

Hier noch ein paar Links rund um die Veranstaltung: unter www.laufinfo.de gibt’s die Ergebnisse, unter www.rheinzabern.de kann man sich über die Gemeinde und ihre 1.950 Jahre alte Geschichte informieren.

für condition Heft März 2005