Es passierte hinter den 7 Bergen..

 

Erst riß es leicht auf – und dann riß es auch wieder zu. Das Wetter beim 5. Siebengebirgsmarathon mit Start und Ziel im idyllischen Aegidienberg war ein Wechselbad der Gefühle. Am Morgen hatte man noch den Eindruck, der ganze im Sommer 2003 nicht gefallene Regen wolle an diesem einen Wochenende seinen Weg suchen, eine halbe Stunde vorm Start zeigten sich blaue Flecken zwischen den dunkelgrauen Wolken, kurz lugte sogar die Sonne vor. Aber sie hatte keine Chance, die Regenwolken gewannen das Duell, unterstützt von Väterchen Wind. Zumindest hatte man sich dort oben aber wohl auf einen Kompromiß eingelassen, bei 4° C schauerte es nur hin und wieder, die meiste Zeit blieb es trocken.

 

Zum 5. Mal wurde der Siebengebirgsmarathon dieses Jahr ausgerichtet und erstmals war das Teilnehmerlimit erreicht. Nach 350 StarterInnen im Erstjahr steigerte sich die Teilnehmerzahl seitdem kontinuierlich, diesmal lagen rund 800 Anmeldungen vor, nach Schätzungen der Veranstalter gingen ca. 750 tatsächlich auf die Strecke, innerhalb des Zielschlusses von 6 Std. kamen 582 wieder in Aegidienberg an.

 

Die Veranstalter des Frankfurt-Marathons warben dieses Jahr mit ihren angeblich einmaligen Zieleinlauf in einer Halle – richtig ist, daß das im Siebengebirge schon immer der Fall ist. Die LäuferInnen laufen ins Bürgerhaus ein, durch ein Zieltransparent, auf dem eine normale Puls-Stop-Uhr per Projektor eingeblendet ist und die aktuelle Zeit anzeigt – und befinden sich, nachdem sie das Haupt zur Medaillenannahme geneigt haben, in einer Verpflegungsstraße, die keine Wünsche offen lassen dürfte: diverse warme und kalte Getränke, Orangen, Bananen, Bouillon, Studentenfutter, Cracker, Laugenbrezel – da konnte man leicht wieder auftanken, was man vorher auf der Strecke gelassen hatte. In der Halle, auf zwei Ebenen, wurde dann noch stundenlang geklönt und gefachsimpelt. Auch wenn die Duschen ein paar Hundert Meter entfernt waren und man sich doch noch mal in die Kälte begeben mußte, um in warme Sachen zu kommen, war das Bürgerhaus der eindeutige Mittelpunkt des Geschehens. Und mehr als knapp 800 Teilnehmer, teilweise mit ihren Fans und Angehörigen, verkraftet die Halle einfach nicht.

 

Frage: Was veranlaßt einen Triathlonverein dazu, einen Marathon zu veranstalten? Kurze und ehrliche spontane Antwort: wir brauchten Geld. Was belegt, daß selbst bei einer zumindest anfänglich doch kleinen Veranstaltung mit full-service und bei im 5. Jahr gerade mal 19-23 € Startgeld (je nach Anmeldedatum) noch etwas für den Verein hängen bleiben kann. Außerdem sind die Leute vom SFA Tri-Power nicht nur Triathleten, sondern laufen auch gerne mal Marathons und so lag es nicht allzu fern, zum Saisonabschluß einen schönen Landschaftsmarathon zu installieren. Anfänglich hatte mal als Termin den 1. Samstag im Dezember gewählt, war dann wegen Protesten der umliegenden Geschäfte in Aegidienberg auf den 1. Sonntag ausgewichen und ist nun, nach Terminkollision mit Bad Arolsen im Jahr 2002 (dort läuft’s ja immer am Samstag des ersten Adventswochenendes, was auch schon mal das erste Dezemberwochenende sein kann) fest auf dem 2. Sonntag im Dezember angekommen.

 

Geehrt werden im Siebengebirge die jeweils ersten Drei beiden Männern und Frauen, zusätzlich jeweils noch die ersten Drei der Altersklassen, die drei schnellsten Mann- und Frauschaften und die teilnähmerstärksten Vereine (hier ist Lokalmatador LT Siebengebirge mit deutlich über 30 Anmeldungen nicht zu schlagen). Dieses Jahr wurden zusätzlich noch die Teilnehmer und auch Sieger des Siebengebirgscups auf die Bühne gerufen. Der Löwenlauf in Hachenburg, der  Drachenlauf und der Siebengebirgsmarathon haben sich zu einer Cupwertung zusammengefunden und wer alle 3 Läufe absolviert hat, bekommt noch eine Medaille zusätzlich.

 

Erstmals waren auch Geldpreise für das Knacken der Streckenrekorde (2:35:11 h aus 2002 bei den Männern und 3:03:18 h aus 2001 bei den Frauen) ausgesetzt, aber der Sponsor konnte sein Portemonnaie stecken lassen, die Rekorde, beide gehalten von TeilnehmerInnen aus der Ukraine, wurden nicht berührt, auch wenn es bei den Frauen gegen Ende so aussah, als ob er purzeln könnte. Natalia Barkun aus Minsk kam als Gesamt-23. nach 3:04:34 h im Bürgerhaus an. Als zweite Frau folgte ihr Lokalmatadorin Birgit Lennartz (LLG St. Augustin) mit 3:15:45 h. Sie mußte sich am Ende wohl sogar noch ein bißchens trecken, denn die Dritte, Elena Wagner vom TV Rübenach, kam nur 2 Einlaufplätze und 32 sec. nach ihr ins Ziel

 

Als Erster erreichte ein Vereinsloser, der allerdings seine sportliche Heimat in Bonn hat, das Ziel: Christian Schmidt heißt er, in der M35 startet er und er brauchte 2:43:50 h. Christian war froh, als er das Ziel endlich erreicht hatte und wurde von seinem Sohn mit den Fragen „was hast Du gekriegt?“ und „wie viele Minuten hast Du gebraucht?“ bestürmt. Dieses war sein erster Marathonsieg und er hat sich auch ganz gezielt auf diesen Wettkampf vorbereitet, aus familiären Gründen liegt sein letzter Marathon ca. 10 Jahre zurück. Nach seinem Plan für die Zukunft befragt, kam einfach nur ein inbrünstiges „ERHOLEN“ über seine Lippen.

 

Gut 3 Minuten später, nämlich nach 2:47:09 h kam Helmut Dehaut als Zweiter durchs Zieltransparent. Der Ultraläufer aus Zweibrücken war zu schnell angegangen, konnte sich aber ab km 5 einpendeln und konnte den zweiten Platz gut über die Strecke bringen. Er war selbst überrascht von seiner Leistung nach seiner schlechtesten Marathonvorbereitung aller Zeiten. Nach dem 50er in Schwäbisch-Gemünd im Oktober, auf den er sich mit bis zu 185 Wochenkilometern gezielt vorbereitet hatte (er beendete ihn als Vierter in 3:30 h), hat er „fast nix“ mehr gemacht. Wobei „fast nix“ bei einem Läufer seines Kalibers (Bestzeit über 100 km 7:38 h, über Marathon 2:34 h) immerhin auch noch 50-60 Wochenkilometer bedeutet. Zudem arbeitet Helmut Schicht bei Opel in Kaiserslautern und muß das Training ja auch noch auf sein Familienleben abstimmen – und besonders, wenn Nachtschicht auf dem Plan steht, fällt das Training sehr schwer, weil der Körper sich eher mal wehrt.

 

Dritter wurde Christoph Kranz von der LG Bitburg-Prüm in 2:52:06 h – und sicherte sich damit gleichzeitig den Sieg in der M45.

 

Viele von denen, die sich zum Jahresende noch einem Landschaftsmarathon mit knapp 800 Höhenmetern stellen, sind Marathonsammler. Und so verwundert es nicht, daß dieses Jahr 4 LäuferInnen mit mehr als 600 Marathons am Start waren (Horst Preisler lief seinen 1.220., Sigrid Eichner ihren 874.), immerhin 10 hatten zwischen 200 und 500 Marathons auf ihrer Liste und 27 zwischen 100 und 200.

 

Hier trifft man viele „alte Bekannte“, die Stimmung ist sehr familiär.

 

Großes Erstaunen herrschte, als René Strosny die Halle erreichte. Er ging ganz gemütlich den Teppich entlang aufs Ziel zu, unter lauten „los.. Du mußt noch ein Stück“-Rufen. Was die Zuschauer anschließend erst erfuhren: René brauchte mal wieder einen Marathon für das Marathon60-Projekt. Dafür muß man 60 Marathons „innerhalb einer Stunde“ laufen, nämlich mit einer Zielzeit für jede Minute einer Stunde. Den Korridor dafür legt jeder selbst fest, René sammelt Marathons zwischen 2:47 und 3:36 h.

 

Carmen Hildebrand, letzte Woche noch 3. in Bad Arolsen, ließ es ein bißchen gemächlicher angehen, erreichte das Ziel als Vierte und meinte anschließend: das hier ist aber härter als Arolsen!

 

Bernd Seitz war gewohnt barfuß in Sandalen auf der Strecke, Bernhard Sesterheim ließ nach dem Marathon des Sables und dem Grand Raid de la Reunion die Saison in kalten Gefilden ausklingen.

 

Martin Linek, der dieses Jahr schon 3 Marathons an 3 Tagen in 3 Ländern absolviert hat (Basel/Frankfurt/Dublin an einem Wochenende), will über Ostern eine Reise ins Guinessbuch organisieren: 4 Marathons an 4 Tagen in 4 Ländern mit 44 Leuten. Auf seinem Plan stehen dabei Dänemark an Karfreitag, dann ein Marathon in Deutschland, sonntags Rumänien und am Ostermontag zum Abschluß der Utrecht-Marathon. Im Siebengebirge lief er seinen 25. Marathon – im Jahr 2003.

 

Mit ihm von der 3-3-3-Partie war auch Colin Munro. Der in der Schweiz lebende Schotte spult auch einen Marathon nach dem anderen ab – und lief am Ende einer langen Saison bei seinem Marathons 21 und 22 in diesem Jahr erstmals und gleich zweimal hintereinander unter 3 h – jeweils mit Gehpausen. Im Siebengebirge wollte er aber nur Spaß haben und tummelte sich ganz entspannt in der zweiten Hälfte des Feldes.

 

Mit von der Partie war auch Detlev Ackermann, der es aber vorzog, den Heimweg nicht zu Fuß anzutreten.

 

Der 6. Siebengebirgsmarathon startet am 12.12..04 – und wie die Ergebnisse 2003 wird’s auch die Ausschreibung 2004 unter www.sfa-tri-power.de im Internet geben.

für laufreport im Dezember 2003