Familientreffen in Rotenburg |
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Harald Heyde und das Marathon Team Waldhessen riefen zum 4. Mal zum 6 h-Lauf und 54 LäuferInnen folgten dem Ruf nach Osthessen – 17 mehr als noch im Vorjahr. Das Marathon Team Waldhessen als solches gibt es gar nicht.
Es ist kein Verein oder sonstige feste Institution sondern vielmehr eine lose Verbindung von Laufbegeisterten rund um den „ruhenden Pol“ Harald Heyde. Entsprechend schwer ist es für ihn, auch jedes Jahr genug HelferInnen zu finden. Welchen Stellenwert der Lauf bei den regelmäßig jedes Jahr anreisenden Ultras hat, zeigt die Tatsache, daß aufgrund des Helfermangels dieses Jahr auch LäuferInnen freiwillig auf einen Start verzichtet und sich als Rundenzähler verdungen hätten, hätte es am Veranstaltungstag selbst tatsächlich noch einen Engpaß gegeben. Das war zum Glück dann doch nicht nötig und so konnte jeder, der es wollte, pünktlichst um 10 h loslaufen. 1.145 m mißt eine Runde durch den Rotenburger Schloßpark und ein Stück auf der anderen Seite der Mauer entlang der Fulda. Flach ist die Strecke, bis auf die Stelle, wo’s aus Richtung Fulda wieder reingeht in den Park, dort muß man eine kleine Rampe erklimmen, die im Laufe der Stunden genauso an Höhe zunimmt, wie die Länge der Runde sich auseinanderzieht. Das ist in etwa derselbe Effekt, wie wenn beim Marathon die Kilometerschilder zum Ende hin in immer längeren Abständen auftauchen. Der Termin war von Harald so gewählt, daß man, wenn man will, im März 2004 jeden Sonntag irgendwo einen 6 h-Lauf absolvieren kann: Stein – Nürnberg – Rotenburg – Ottobrunn heißen die Tourneestationen und so manche/r auf der Strecke nahm und nimmt diese auch alle mit. Auch wenn eigentlich Frühlingsanfang war, wußte das Wetter anfänglich nicht so wirklich, ob es Bubchen oder Mädchen werden sollte. Regen wechselte sich ab mit Sonne, dann kam auch mal Hagel ins Spiel – es gab Momente, da war von allem ein bißchen was vorhanden. Nach etwa der Hälfte der Zeit hatte sich Petrus dann aber entschieden, Gnade walten zu lassen und zog die Regenwolken ab, die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die Wolken und es wurde noch ein richtig schöner Sonntag. Am Start war eine bunte Mischung aus alten Ultrahaudegen, 6 h-Newbies und solchen, die immer mal längere Distanzen laufen, aber eigentlich auf den Strecken bis Marathon zuhause sind. Für schlappe 12 € Startgeld läßt es sich hier aber auch gut laufen. Im Preis inbegriffen ist ein sogenanntes Läuferabendessen in der Jugendherberge, das die Wartezeit bis zur Siegerehrung überbrückt. Für die Verpflegung während des Laufs muß jede/r selbst sorgen und so wird der Schloßpark schon am frühen morgen durch diverse Campingtische und -stühle und bunte Plastikkisten auf den normalen Parkbänken belebt. Gruppen finden sich zusammen, die ihre Tische gemeinsam belegen und mitangereiste Fans machen es sich an den vielen kleinen Verpflegungsstellen bequem, versorgen die ihren während des Laufs und reden auch der Konkurrenz gut zu, wenn diese die ersten müden Anzeichen erkennen läßt. Nach einigen Stunden kennt man sich halt.. Die Jugendherberge ist das Wettkampfzentrum. Hier wird nicht nur gegessen. Vielmehr können die LäuferInnen auch die Duschen nutzen und ein Raum wird als Wettkampfbüro zur Verfügung gestellt, in dem die Startnummern ausgegeben werden und anschließend auch die Auswertung gemacht wird. Und so reisen trotz der späten Startzeit viele schon am Samstag an, um mal so richtig viel Zeit mit Bekannten und Freunden aus der Szene zu verbringen – gemeinsames Pommes- und Pizzafassen inklusive. Am späten Samstagabend reiste dann auch noch eine ganze Gruppe des 100 Marathon Clubs in Begleitung von „Marathonsammelweltmeister“ Horst Preisler (der nicht Mitglied im Club ist) aus Springe an, wo man – ein Wochenende muß optimal ausgenutzt werden – am Samstag schon mal so ganz nebenbei einen Marathon gelaufen war. Und so war es für Horst dann am Sonntag der 1.248 „Marathon & mehr“, den er sich erlief. Auch die fleißigste aller Marathonsammlerinnen war am Start, Sigrid Eichner schaffte mit in 6 h gelaufenen 42,562 km ihren 905. Lauf über 42,195 oder mehr Kilometer.
Die eigentlichen Stars beim Zählerteam waren allerdings nicht die Marathonsammler, sondern 3 Jugendliche („da kommen ja die Kids wieder“), die erst laut jammernd zum Spaß und irgendwann dann auch mit richtig viel Ehrgeiz mitliefen. Steppenhahn Stephan Isringhausen-Bley und der Bremer Uli Schulte hatten ihre Brut mitgebracht und diese machte dann den Schloßpark unsicher. Die Jüngste im Bunde war Daniela Schulte, die mit ihren 14 Jahren immerhin 39,218 km schaffte. Nächstes Jahr soll’s dann Marathon sein (eigentlich stand der für dieses Jahr schon in der Planung). Nur ein Jahr älter ist Oskar Bley, der am Ende richtig aufdrehte und auch seinen Vater alt aussehen ließ. Mit 47,233 km steht er als 39. in der Ergebnisliste. Marathon war er bisher nur im Rahmen eines 24 h-Laufes, also mit sehr viel mehr Zeit im Rücken, gelaufen. Sein Bruder Jorret war ein bißchen „fauler“, schaffte aber mit 42,477 km auch noch die Marathondistanz.
Für viele auf der Strecke war dieser Lauf Vorbereitung auf größere Pläne in naher Zukunft. Georg Kunzfeld (62,546 km) und Jens Vieler (61,626 km) wollen genauso zum Marathon des Sables wie der ebenfalls mitlaufende Holger Finkernagel (53,917 km). Thomas Härtel (63,085 km) hat von seiner Familie zum samstägigen Geburtstag eine Reise zum Two Oceans Marathon an Ostern in Südafrika geschenkt bekommen und will dann nach Biel. Dieter Knoblich (56,709 km) ist einer der Teilnehmer beim runex123-Projekt im Rahmen des Badwater Ultra, seine Frau Lydia (46,190 km) wird ihn dort als Supporterin begleiten. Und so könnte wahrscheinlich annähernd jeder der Teilnehmer über große, lange und/oder berühmt-berüchtigte Läufe erzählen, die demnächst in Angriff genommen werden sollen und wollen. Das Schöne an so einem Rundenlauf ist, daß die Strecke vom Anfang bis zum Ende gleich belebt ist. Der Schnellste läuft seine 6 h, der Langsamste aber auch. Der sonst so übliche Eindruck der Hinteren, gleich ganz alleine auf weiter Flur zu laufen, kommt hier gar nicht erst ins Spiel. Nur die Zahl der Überrundungen ist halt unterschiedlich hoch.
Einer, der bei seinem ersten 6 h-Lauf gleich hohe Maßstäbe angelegt hat, ist Gerald Baudek. Der Recklinghäuser aus der „Sektion Ruhr“ von passtschon98 lief die gesamte Zeit über ziemlich locker seinen 5er Schnitt runter und siegte am Ende mit 73,368 km. Mit dieser Leistung hat er sich selbst das Versprechen gegeben, bei seinem 100 km-Debut (na wo wohl? In Biel natürlich!) im Juni unter 9 h bleiben zu wollen. Lange lieferte er sich mit Klaus Helm von der LGV Marathon Gießen ein Kopf an Kopf-Rennen, dann mußte Klaus, der ebenfalls 6 h-Debut-Onkel war, abreißen lassen und schaffte noch 70,657 km. Nächstes Jahr will er wiederkommen und dann gewinnen. Auf Platz 3 lief Felix Kainz (Lok Potsdam). Für den Berliner war es der dritte 6 h-Lauf in Folge, in den beiden Vorwochen war er schon in Stein und Nürnberg. In Rotenburg lief er die wenigsten Kilometer, meinte aber, dafür wäre die Veranstaltung die schönste der 3 gewesen.
Bei den Frauen lag von Anfang an Susanne Kindermann (LGV Marathon Gießen) vorne, lange Zeit konnte sie aber den heißen Atem von Vorjahressiegerin Sabine Weiß im Nacken spüren. Nachdem diese nach 45 Runden mit muskulären Problemen aussteigen mußte, war Susanne bei ihrem ersten 6 h-Lauf völlig unbedrängt und erlief sich am Ende mit 64,628 km Platz 1 bei den Frauen und den immerhin 6. Gesamtrang.
Die Zweite in der Frauenwertung ist eine Stammgästin bei Harald und seinen Waldhessen: Gudrun Peschel aus Telgte kommt, zusammen mit ihrem Mann Werner, der Gesamt-Fünfter wurde, jedes Jahr wieder. In diesem Jahr reichten ihr 58,891 km zum 2. Platz. Nur 57 m weniger schaffte Dagmar Kraus (Volkssport Fulda und damit eine Lokalmatadorin) und freute sich über Platz 3. Nach einer gemütlichen Siegerfeier bei Pasta und Götterspeise mit Vanillesoße machten sich die meisten dann relativ zügig auf den teilweise doch recht weiten Heimweg. Viele werden ganz sicher im Frühjahr 2005 wieder mit von der Partie sein, wenn es in Rotenburg wieder heißen wird „let the sun shine in – wir drehen hier 6 h gemütlich unsere Runden“.
für laufreport im März 2004
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