Spiel’ nicht mit den Schmuddelkindern |
|
Naja.. so arg schmuddelig sahen sie auch nach dem Zieleinlauf gar nicht aus, die 246 kleinen und großen Kinder, die sich heute bei mildem Novemberwetter, das aber zumindest in der Farbe des Himmels seinem Namen alle Ehre machte, im Schloßpark zu Wiesbaden-Biebrich auf die Crossstrecke machten. Man sollte besser „Strecken“ schreiben, denn es gab eine kleine und eine große Runde, die kleine noch unterteilt in „mit Treppenhügel“ und „ohne Treppenhügel“. Aussuchen konnte man sich die Runden nicht, die waren je nach Alter und Geschlecht vorgegeben. Die Kids liefen 1.060 m (unter 12 Jahre) bzw. 2060 m für 12 bis 14jährige, sie alle ließen den Treppenhügel beim Vorbeilaufen rechts liegen. Die Jugendlichen und alle Frauen hatten 3.050 m zurückzulegen, die Senioren 5.200 m und für den Hauptlauf mußten die Männer auf der Langstrecke über 6 Runden insgesamt 7.800 m bewältigen. Alle 3 unterschiedlichen Runden verlaufen ausschließlich im idyllischen und von Spaziergängern relativ unbehelligten Schloßpark in Wiesbaden-Biebrich. Auf dem Programm steht so ziemlich alles, was das Crossläuferherz begehrt: tiefe Wiesen, matschige Wege, Hügel und Hindernisse. Die Wiesen waren wirklich tief, vor allem der Abstieg in den Schloßgraben hatte es in sich. Da mußte man schon standfest sein, um am Ende der Böschung die Kurve noch zu bekommen. Spikes waren hier nicht nur Ehrensache sondern eigentlich Pflichtprogramm. Die Matschigkeit der Wege ließ ein wenig zu wünschen übrig, aber nach dem letzten Lauf waren sie zumindest von den Spikes halb umgepflügt. Wehe, wenn es hier mal 2 Tage vorm Lauf richtig regnet. Dann passiert wohl wirklich das, was mir Martina Franke letzte Woche in Darmstadt erzählte: man ist vermatscht bis über die Knie, bis man ins Ziel kommt. Inmitten eines der Wege durch die Wiese hatten die Veranstalter vom TV Waldstraße Wiesbaden noch einen dicken Baumstamm plaziert. Leider waren die Absperr-Flatterbänder rechts und links so weit entfernt, daß sich so manche/r um das Hindernis herumschummeln konnte, statt drüberzuspringen. Ein kleines Handicap für die Nägel unter den Schuhen gibt es auf der Strecke noch: eine kleine Brücke, die überquert werden muß, ist asphaltiert. Allerdings bekamen die LäuferInnen hier ein paar Teppiche ausgelegt, wenn auch keine roten, damit sie wenigstens Halt fanden. Alle AthletInnen waren sich einig: die Strecke ist sehr schön, sehr schwer, sehr abwechslungsreich und daraus resultierend auch sehr kurzweilig, mental viel besser zu verarbeiten als die langen Geraden über die Darmstädter Lichtwiese. Zuschauer gibt es in Wiesbaden noch weniger als in Darmstadt, dabei hat so ein Crosslauf wirklich einen besonderen Charme und die kleinen Runden ermöglichen eine Wanderung von Punkt zu Punkt, man schafft es, selbst die schnellen Jungs und Mädels an verschiedenen Stellen abzupassen. Es war mir doch ziemlich unverständlich, warum in Wiesbaden so viel weniger los ist als in Darmstadt – das kann wohl nur in den verschiedenen Qualifikationsrennen in Darmstadt und der ehemaligen Zugehörigkeit zum dahingeschiedenen Dt. Crosscup begründet sein. An der Strecke oder gar der Organisation kann es mit Sicherheit nicht liegen. Ein bißchen schwierig ist nur die Dusch- und Siegerehrungssituation, denn die Turnhalle des TV Waldstraße liegt doch ein Stück entfernt vom Park: 1,8km zu Fuß, mit dem Auto eine halbe Odyssee durch Wiesbaden, die nicht jede/r sofort fand. Außerdem ist der innere Schweinehund doch sehr groß, überhaupt noch mal zur Halle zu fahren und nicht gleich Richtung Heimat abzubiegen. Und so war die Halle auch nicht übermäßig voll, viele Plazierte holten sich ihre Preise gar nicht mehr ab. Auch wenn die große nationale oder gar internationale Konkurrenz fehlte, konnte sich vor allem das Aufgebot auf der Männer-Langstrecke wirklich sehen lassen. Viele, die in der Rhein-Main-Laufszene Rang und Namen haben, standen am Start: Abdel Graine aus Darmstadt, Mario Müller aus Mainz, Michael Schrodt und Carsten Wenzek vom SSC Hanau-Rodenbach, Adrian Wodniok von Spiridon Frankfurt, Philipp Büttner vom TSV Friedberg-Fauerbach, Tim Lipecki (LG Bad Soden-Neuenhain), Ralf Waldmann (V.f.L. Münster) – alles Namen, die man auch in Sommer 2003 immer wieder ganz oben in den Ergebnislisten und auch in den diversen LAUFREPORTs gelesen hat. Gewonnen hat aber am Ende einer, den niemand auf der Rechnung hatte, weil er in der Rhein-Main-Volkslaufszene völlig unbekannt ist: Erkan Kara, Jahrgang 1985, wohnt in Erfurt, stammt aber aus Oestrich-Winkel. Weil er gerade seine Eltern besucht, überlegte er sich, er könne ja auch einfach mal beim Cross mitmachen – und lief mit 26:29 min über 7.800 m der Konkurrenz auf und davon, Philipp Büttner brauchte als Zweiter exakt ½ min länger - allerdings war er auch nur knapp 1,5 Stunden zuvor in 9:20 min hinter Markus Rapp bereits Zweiter über 3.050 m. Eigentlich ist Erkan auf der Mittelstrecke im Stadion zuhause, das heute war einer seiner wenigen Ausflüge auf die Straße. Nur 3 Sekundne dahinter kam Alexander Kerber aus Heidleberg ins Ziel – und damit gehörten die ersten 3 dieses Laufes alle der Männer-Hauptklasse an. Carsten Wenzek schob sich im Laufe des Rennens immer weiter nach vorne, wurde schließlich Vierter. Tim Lipecki, der nur „um die Ecke“ in Hochheim wohnt, war am Freitag noch 20 km im Training gelaufen und hat sich kurzfristig entschlossen, in Biebrich an den Start zu gehen. Auch er lief von Runde zu Runde weiter nach vorne, nahm am Ende Mario Müller, der in den ersten Runden noch vor ihm lief, noch 22 sec ab. Von den 23 Läufern auf der Langstrecke blieben immerhin 11 unter 30 min. Insgesamt waren nur 16 Frauen und Jugendliche am Start und so war der Ring frei für Veronika Ulrich, die mit 10:36 min über 3.050 m von Anfang an unangefochten Erste wurde. Nach einer überstandenen Infektion geht es ihr wieder gut und da sie Crossläufe liebt, wird sie nächste Woche wahrscheinlich in Walldorf starten und in 14 Tagen in Neuss beim auch sehr gut besetzten Nikolauslauf. In 2004 möchte Veronika sich noch mal auf der Mittelstrecke verbessern und dann im Herbst vielleicht auch mal wieder einen Marathon laufen. Zweite mit 10:55 min wurde Jeannette Vrga aus Darmstadt, von der in diesem Jahr auch schon einiges zu lesen war. Schon als Gesamtdritte kam B-Jugendliche und LAUFREPORTerin Natascha Schmitt nach 11:14 min ins Ziel. Natascha wollte nur einen lockeren Trainingslauf machen, läuft derzeit jede Woche 1x Cross, um gut über den Winter zu kommen. In der Halle läuft sie nicht so gern und wird deshalb dieses Jahr nur 1x bei der Dt. Meisterschaft indoor starten. Sie war nicht das erste Mal in Wiesbaden, die Veranstaltung gefällt ihr sehr gut, auch wenn in Darmstadt die Konkurrenz größer ist. Ältester Teilnehmer (Jahrgang 1936) war Josef Reibert aus Geisenheim, der mit 27:58 min über 5.200 m im Seniorenlauf die M65 gewann, seine beiden Konkurrenten waren zwar nur ein Jahr jünger als er, aber 1:14 bzw. 2:27 min langsamer. Die Ergebnisse aus allen Läufen kann man ausführlich nachlesen unter www.tv-waldstrasse.de
für laufreport im November 2003 |
|
|
|